ich bin ehrlich gesagt sehr froh, auf dieses Forum gestoßen zu sein. Denn in meiner Umgebung kenne ich niemanden, der ebenfalls so stark mit Prokrastination zu kämpfen hat wie ich. Und hier fühle ich mich doch direkt heimelig, habe ich im Test der Uni Münster doch sage und schreibe 95% erreicht und lese viele Parallelgeschichten. Und nachdem ich den halben Tag lang hier gestöbert bin, wurde mir klar, dass ich mich durchaus einreihen kann. Ich erhoffe mir hier natürlich keine Heilung, aber Anregungen, Tipps und gegenseitige Unterstützung. Eben einen Ort zu haben, an dem man in dieser Hinsicht verstanden wird. Denn das ist verdammt selten.
Also stelle ich mich vor:
Ich bin 22 Jahre alt und studiere gerade Biologie in Münster im 6. Semester. Ich bin insgesamt eher in mich gekehrt, wirke aber nach außen angeblich sehr selbstbewusst. Aufschieben tue ich seit Beginn des Studiums, obwohl es auch früher schon Kunstbilder gab, die nächstens vor der Abgabe gefertigt wurden. Aber so richtig eben erst im Studium. Wie kommt es also nun, dass ich mich erst jetzt hier anmelde/ von meiner Prokrastination erfahren habe? Der Grund ist wie bei so unendlich vielen Threads auf anderen Seiten die Abschlussarbeit, die jetzt gerade ansteht.
Jetzt bitte weiterlesen, denn die Arbeit ist nicht der eigentliche Grund. Ich habe auch schon vorher krass aufgeschoben, nur fällt mir das nun erst richtig auf.
Meistens Prokrastiniere ich im Internet, lese Artikel, schaue mir wissenschaftliche Veröffentlichungen an, spiele Gitarre oder grüble melancholisch vor mich hin. Diese Dinge sind ja nun auch teilweise sinnvoll, bringen mich aber bei aktuellen Aufgaben ja nicht weiter. Aber so bleibe ich beschäftigt und die Zeit verrinnt wie Sand zwischen den Fingern.
Das hat dahin geführt, dass ich meine Professorin häufig versetzte und sogar angelogen habe, warum ich nicht kommen kann oder mir selbst gesetzte Teilabgaben nicht einhalten kann. Und dazu, dass ich die Arbeit trotz Verlängerung wegen Krankheit nun nicht fertig stellen werde. Es war ein halbes Jahr Arbeit, auf die ich auch stolz bin, weil ich fast alles selbst im Labor gemacht habe und es funktioniert hat. Weil ich mir mein Wissen komplett selbst angeeignet habe. Aber eben auch eine Zeit voller Selbstzweifel, innerem Chaos und Frust. Vor allem, weil Betreuung fast nicht vorhanden war, meine Ergebnisse nie erfragt wurden, und ich es von mir aus versäumt habe Fragen zu stellen (weil meine Professorin einen sehr schwierigen Charakter hat, man fühlt sich schnell persönlich angegriffen von ihr). das führte unwiederbringlich zu kompletter Demotivation. Und trotzdem hätte es klappen können, wenn ich das nicht alles so stark vor mir herschieben würde. Aber ich bin durch das Aufschieben, den Umgang im Labor, das Unverständnis für meine Situation und gescheiterte Hilfsversuche nun wirklich am Ende. Ich hatte bereits einen Nervenzusammenbruch vor einem Monat. Und nun ist der wieder da und ich komme von selbst aus diesem Loch einfach nicht raus. Und ich merke, dass mir gerade niemand aus meinem Umfeld dabei helfen kann.
Daher sehe ich gerade keine Chance, diese Arbeit abzuschließen. Kein: Kopf hoch, reiß dich zusammen, krieg endlich den Arsch hoch, hilft mir. Das ist mir jetzt bewusst. Es wird nichts, nicht so. Und das Ergebnis würde auch meinen Vorstellungen nicht entsprechen.
Und die Beschreibung meiner Arbeit ist eben nur das akute Beispiel für eine kleine Karriere der Prokrastination. Ich habe bei allen Prüfungen bisher aufgeschoben, alleine im Zimmer gehockt, Selbstzweifel gehabt, mit der Bettdecke über dem Kopf geweint. Ich stehe mir einfach sowas von selbst im Weg. Das ist mir jetzt aber wenigstens teilweise bewusst und ich will daran arbeiten. Und ich hoffe es gibt einen Weg, der mir hilft damit umzugehen. Denn mein Studienfach ist meine große Leidenschaft, auch wenn das im Moment sehr absurd erscheint
