tobischnobi stellt sich vor

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Tobischnobi
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tobischnobi stellt sich vor

Post by Tobischnobi » Mon 8. Sep 2014, 19:49

Heyho liebe Leute,

ich bin ehrlich gesagt sehr froh, auf dieses Forum gestoßen zu sein. Denn in meiner Umgebung kenne ich niemanden, der ebenfalls so stark mit Prokrastination zu kämpfen hat wie ich. Und hier fühle ich mich doch direkt heimelig, habe ich im Test der Uni Münster doch sage und schreibe 95% erreicht und lese viele Parallelgeschichten. Und nachdem ich den halben Tag lang hier gestöbert bin, wurde mir klar, dass ich mich durchaus einreihen kann. Ich erhoffe mir hier natürlich keine Heilung, aber Anregungen, Tipps und gegenseitige Unterstützung. Eben einen Ort zu haben, an dem man in dieser Hinsicht verstanden wird. Denn das ist verdammt selten.
Also stelle ich mich vor:
Ich bin 22 Jahre alt und studiere gerade Biologie in Münster im 6. Semester. Ich bin insgesamt eher in mich gekehrt, wirke aber nach außen angeblich sehr selbstbewusst. Aufschieben tue ich seit Beginn des Studiums, obwohl es auch früher schon Kunstbilder gab, die nächstens vor der Abgabe gefertigt wurden. Aber so richtig eben erst im Studium. Wie kommt es also nun, dass ich mich erst jetzt hier anmelde/ von meiner Prokrastination erfahren habe? Der Grund ist wie bei so unendlich vielen Threads auf anderen Seiten die Abschlussarbeit, die jetzt gerade ansteht.
Jetzt bitte weiterlesen, denn die Arbeit ist nicht der eigentliche Grund. Ich habe auch schon vorher krass aufgeschoben, nur fällt mir das nun erst richtig auf.
Meistens Prokrastiniere ich im Internet, lese Artikel, schaue mir wissenschaftliche Veröffentlichungen an, spiele Gitarre oder grüble melancholisch vor mich hin. Diese Dinge sind ja nun auch teilweise sinnvoll, bringen mich aber bei aktuellen Aufgaben ja nicht weiter. Aber so bleibe ich beschäftigt und die Zeit verrinnt wie Sand zwischen den Fingern.

Das hat dahin geführt, dass ich meine Professorin häufig versetzte und sogar angelogen habe, warum ich nicht kommen kann oder mir selbst gesetzte Teilabgaben nicht einhalten kann. Und dazu, dass ich die Arbeit trotz Verlängerung wegen Krankheit nun nicht fertig stellen werde. Es war ein halbes Jahr Arbeit, auf die ich auch stolz bin, weil ich fast alles selbst im Labor gemacht habe und es funktioniert hat. Weil ich mir mein Wissen komplett selbst angeeignet habe. Aber eben auch eine Zeit voller Selbstzweifel, innerem Chaos und Frust. Vor allem, weil Betreuung fast nicht vorhanden war, meine Ergebnisse nie erfragt wurden, und ich es von mir aus versäumt habe Fragen zu stellen (weil meine Professorin einen sehr schwierigen Charakter hat, man fühlt sich schnell persönlich angegriffen von ihr). das führte unwiederbringlich zu kompletter Demotivation. Und trotzdem hätte es klappen können, wenn ich das nicht alles so stark vor mir herschieben würde. Aber ich bin durch das Aufschieben, den Umgang im Labor, das Unverständnis für meine Situation und gescheiterte Hilfsversuche nun wirklich am Ende. Ich hatte bereits einen Nervenzusammenbruch vor einem Monat. Und nun ist der wieder da und ich komme von selbst aus diesem Loch einfach nicht raus. Und ich merke, dass mir gerade niemand aus meinem Umfeld dabei helfen kann.
Daher sehe ich gerade keine Chance, diese Arbeit abzuschließen. Kein: Kopf hoch, reiß dich zusammen, krieg endlich den Arsch hoch, hilft mir. Das ist mir jetzt bewusst. Es wird nichts, nicht so. Und das Ergebnis würde auch meinen Vorstellungen nicht entsprechen.
Und die Beschreibung meiner Arbeit ist eben nur das akute Beispiel für eine kleine Karriere der Prokrastination. Ich habe bei allen Prüfungen bisher aufgeschoben, alleine im Zimmer gehockt, Selbstzweifel gehabt, mit der Bettdecke über dem Kopf geweint. Ich stehe mir einfach sowas von selbst im Weg. Das ist mir jetzt aber wenigstens teilweise bewusst und ich will daran arbeiten. Und ich hoffe es gibt einen Weg, der mir hilft damit umzugehen. Denn mein Studienfach ist meine große Leidenschaft, auch wenn das im Moment sehr absurd erscheint :D

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JavaBohne
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Re: tobischnobi stellt sich vor

Post by JavaBohne » Tue 9. Sep 2014, 19:57

Hallo tobischnobi.

herzlich willkommen im Forum der Prokrastinatoren.

Dein Eingangspost hoert sich nun nicht wirklich sehr positiv an und offen gesagt, weiss ich auch nicht, wie ich es dir am allerbesten sage. Aber du solltest dich als Prokrastinator auf eines einstellen. Es gibt fuer den Aufschieber viele Hilfestellungen und Therapien (Verhaltenstherapien, z. B.). Fuer den pathologischen (chronischen) Prokrastinator, gibt es bis auf den heutigen Tag keine nachhaltige Hilfe. Voellig egal, was bestimmte Universitaeten und Professoren versprechen. Es ist den Wissenschaftlern trotz jahrelangem Forschens nicht einmal klar, warum es die pathologische Prokrastination ueberhaupt gibt.

Sprueche wie: Kopf hoch, einfach aufstehen und anfangen, komm endlich aus dem Quark, ..., ..., ...!, helfen nicht nur nicht, sondern sie stuerzen den pathologischen Prokrastinator noch viel tiefer in sein tiefes Loch, genannt Depressionen.

In unseren Situationen hilft oft ein Selbstgespraech mit sich selbst. Oft ein lautes sprechen im leeren Zimmer, indem man sich selbst Mut zuspricht. Mir persoenlich hilft es, eine Excel Tabelle zu erstellen, in der ich alle Taetigkeiten vom Aufstehen ueber Duschen, Zaehneputzen, etc. bis hin zu einzelnen Tagesaufgaben wie: Lernen, Aufraeumen, Spuelen, Einkaufen, und was nicht sonst noch eintrage und die Abarbeitung mit einer 1 fuer erledigt und einer 0 fuer nicht erledigt abhandel. Natuerlich stelle ich diese Tabelle auch graphisch dar. Und dann erfolgt meine Motivation. Ich sehe, dass ich fuer ein paar Tage gut bis sehr gut meine Aufgaben erledigt habe, stuerze dann aber regelrecht ab! Nach ein bis zwei Tagen erhole ich mich wieder und ich erledige wieder meine Aufgaben, etc. Nach einem Monat kann ich die Tabelle abschliessen, sehe den prozentualen Erfolg und den absoluten Erfolg. So kann ich meine Schwankungen ueber Monate hinweg nachvollziehen. Das Positive daran ist, dass ich mich selbst motovieren kann, in dem ich mir sage, dass wenn ich noch eine Stunden Fachliteratur lese, meine mindest angestrebten 80% Minimalerfolg erreichen wuerde. So setze ich mich tatsaechlich oft noch einmal hin und lese (oder was auch immer mich ueber die 80% Huerde bringen wuerde).

Wie motivierst du dich? Was sind deine "Zeitdiebe"? Haeltst du dich fuer einen Aufschieber oder chronischen Prokrastinator?

Ich hoffe, ich konnte dir helfen!

Viele Gruesse,
JavaBohne

masterarbeit
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Re: tobischnobi stellt sich vor

Post by masterarbeit » Mon 13. Oct 2014, 14:21

Hallo Tobi,
wie ist der Stand?
An der Uni Münster ist doch die Hochburg der Prokr.-Beratung, oder sehe ich das falsch? Dann hast du doch Glück im Unglück, wenn du das direkt vor der Nase hast, geh da doch mal hin.
Als ich deinen Bericht gelesen habe, ist bei mir subtil der Eindruck entstanden, dass du perfektionistisch sein könntest und dass das ein Bereich sein könnte, an dem du arbeiten kannst, also weniger perfektionistisch sein. Also weg von den Extremen: Sich selbst nicht in die Höhe loben, aber auch nicht fertigmachen, wenn was nicht läuft. Ich habe auch unter Perfektionismus gelitten und gehe jetzt "barmherziger" mit mir um und hab mir eine "Überall wird nur mit Wasser gekocht"-Denkweise zugelegt. Wenn ein Arbeitstag nicht so gut gelaufen ist, dann sag ich mir, dass das ganz normal ist und eben vorkommt und es jedem Menschen mal so geht. Dadurch gehe ich auch "gnädiger" mit Anderen um. Ein Dozent von mir hat mal gesagt: Erfolgreiche Leute unterscheiden sich dadurch von Anderen, dass sie Fehlschläge als etwas Normales ansehen (oder man könnte auch sagen durch die Schnelligkeit, mit der sie nach einem Sturz wieder aufstehen). Ich möchte durch diese Analogie jetzt nicht wieder ein Leistungsdenken bzw. Kategorisieren von Menschen und dadurch Verurteilen anregen, sondern ich glaube, es ist einfach ganz wichtig, dass der Groschen fällt, dass Perfektionismus ein ErfolgsKILLER ist. (ja, gibt sicher auch Fälle, wo es das Gegenteil ist, aber ich denke im Zusammenhang mit Prokr. ist es definitiv ein Killer). Das aber nur mal als eine Anregung, du brauchst sicher noch mehr, um mit deiner Situation gut klar zu kommen.
Spricht dich denn der Wingwave-Ansatz von Leonardo an?
Was aber ganz klar ist, ist, dass du Unterstützung brauchst. Es ist zu schwierig, dass du das alleine machst. Ich denk auch nicht, dass nur das Forum hier reicht, sondern ich würd an deiner Stelle konkret vor ORt was machen, z. B. mit der Beratung an der Uni.
Auf jeden Fall wünsch ich dir viel Erfolg und denk dran: Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, nicht den Kopf hängen lassen.
LG

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