"Erfolgs"bericht

Beschreibung und Diskussion persönlicher Erfahrungsberichte
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Francesca
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"Erfolgs"bericht

Post by Francesca » Wed 20. May 2015, 14:31

Ich bin erst heute - eine Woche nach meiner Registrierung - freigeschalten worden, insofern ist mein "Erfolgs"bericht nicht mehr ganz taufrisch. Mir hat dieses Forum geholfen, mein Prokrastinationsproblem, das vor 3 Wochen seine ärgsten & ernstesten Auswirkungen gezeigt hat, in einem bestimmten Punkt zu überwinden: Ich habe letzten Freitag zum ersten Mal meine Steuererklärung aufs Finanzamt getragen. Das ist ein echter "Erfolg".
Mir hilft es, KEINEN Terminkalender zu führen, obwohl ich leider einen haben muss (Es ist nur einer für Schüler. Die sind nicht so umfangreich pro Tag.). Stattdessen führe ich ein Heft, wo ich unterschiedlichste Dinge hineinschreibe.
Was mich am meisten entsetzt, ist meine Kaltblütigkeit: Ich gerate nicht einmal mehr unter Stress, wenn ich etwas sehr Wichtiges in allerletzter Minute fertigbringen muss und es hakt hier und dort, weil natürlich auch vorbereitende Schritte notwendig gewesen wären.

Jedenfalls möchte ich mich bedanken, dass es dieses Forum überhaupt gibt und dass es aktuelle Beiträge gibt.

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JavaBohne
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Re: "Erfolgs"bericht

Post by JavaBohne » Wed 20. May 2015, 14:59

Hallo Francesca,

herzlich willkommen im Forum.

Schade, dass es bei dir eine Woche gedauert, bis du freigeschaltet worden bist. Aber nun bist du da und ich denke fuer alle sprechen zu koennen, wenn ich behaupte, dass wir uns alle auf deine Beitraege freuen werden. Denn wir alle beziehen unsere Informationen und Erfahrungen von einander und ziehen unseren Nutzen daraus.

Glaubst du, dass es bei dir wirklich Kaltbluetigkeit ist, dass du nicht mehr unter Stress stehst, wenn du prokrastinierst, oder liegt es vielleicht "nur" daran, dass du dich in eineinhalb Jahrzehnten an deine Art zu prokrastinieren gewoehnt hast? Wie siehst du es?

Terminkalender, Stundenplaene oder Tagesablaufplaene funktionieren bei mir auch nicht. Mit gefuehlten Tausend Versuchen bin ich irgendwann zur Erkenntnis gekommen, dass mich solche Plaene eher verwirren und sogar zum Prokrastinieren verleiten. Ausserdem ist der Stress bei mir viel zu hoch, wenn ich mir staendig vergegenwaertige, dass ich meinem Plan wieder hinterherhinke, oder ihn erneut voellig aufgeschoben habe! Doch die von mir beschriebene Excel-Tabelle hilft mir. Aber auch die bearbeite ich manchmal monatelang nicht!

Es waere schoen, wenn wir von dir regelmaessige Updates oder Neuigkeiten hier im Forum lesen koennten.

Weiterhin viel Spass hier im Forum!!!

Viele Gruesse,
JavaBohne

Francesca
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Re: "Erfolgs"bericht

Post by Francesca » Wed 20. May 2015, 18:53

Liebe JavaBohne,

ja, es ist sicherlich die Macht der schlechten Gewohnheit. Wie es mit der raschen Bearbeitung meines allerersten gestellten Steuerausgleich-Antrags bestellt ist, ... das ist wiederum eine Zitterpartie, weil es um die Rückerstattung meines Studienbeitrages geht. Aber immerhin, ein Erfolg ... Unter Normalsterblichen darf man diesen "Erfolg" gar nicht vor sich herposaunen, weil es für die sicherlich total befremdlich ist: Da hat man das Recht, Geld zurückzubekommen, und man tut nichts !!!

Dieser Vorfall mit den wichtigen Dokumenten, die ich vor 3 Wochen - natürlich am allerletzten Tag der Bewerbungsfrist - auf einem Bewerberportal hochladen musste - ... war extrem EXISTENTIELL. Wenn ich nicht einen Geistesblitz gehabt hätte (nämlich den, dass ich auf ein anderes Amt gegangen bin und die Sekretärin dort um das Ausdrucken meiner eingescannten Zeugnisse gebeten hätte ---- Uff, wie peinlich ist das denn ???), dann wäre ich ab September 2015 arbeitslos und hätte nicht einmal Ansprüche am AMS.

Hier nun meine wichtigste Frage: Ist so ein extremer Vorfall ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass "man" (also ich) eine Therapie braucht ?(Kurioses Detail: An jenem chaotischen Online-Bewerbungstag habe ich eine Therapeutin für ein Erstgespräch versetzt, konnte ihr nicht einmal absagen, weil sie nur telefonisch erreichbar ist und ich in meiner ultimativen Bewerbungsblockade das Handy zu Hause liegengelassen habe.)

Ich schaffe keine To-do-Liste, nicht einmal einen Einkaufszettel !

Nur ganz kleine Babyschritte schaffe ich, z.B. dass ich mir schon am Abend vorher Kleidung für den nächsten Tag zurechtlege, die Tasche einpacke.
Als 6-jährige konnte ich gar nicht einschlafen, wenn mir einfiel, dass auch nur ein einziger Buntstift in meinem Federpenall nicht eingepackt war,

... und dann ging es nach dem Abitur mit mir arg bergab, da geht es ja auch nicht mehr um das wohlgefüllte Federpenall - oder vielleicht doch, wenn man irgendwie neurotisch veranlagt ist und ohne das allerliebste Schreibgerät mit dem perfekten Tintenblauton "einfach nicht kann" ....

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JavaBohne
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Re: "Erfolgs"bericht

Post by JavaBohne » Wed 20. May 2015, 20:24

Hallo Francesca,

Eine der vielen Theorien in Bezug auf die Prokrastination besagt, dass es sich dabei "nur" um eine Angewohnheit handelt, die ueber Jahre hinweg antrainiert oder sich z. B. bei den Eltern abgeguckt wurde. Durch das Jahre lange Training hat sich die Prokrastination fest in den Kopf der Prokrastinatorin festgesetzt und laesst sich ohne Weiteres nicht entfernen. Wenn diese Theorie stimmt, kann ein erfahrener Therapeut mit der richtigen Therapie innerhalb einer sieben jaehrigen Behandlung das Problem loesen! Positiv ist, dass Prokrastination, die antrainiert ist, gute Chancen hat, therapiert zu werden! Zum Beispiel geschieht das mit einer relativ normalen Verhaltenstherapie!

Aber es gibt dabei natuerlich einige Faktoren, die dieses Vorgehen sehr schwer ausfuehrbar machen laesst. Zunaechst ist es eine Theorie von vielen; Zweitens, es gibt kaum erfahrene Therapeuten auf dem Gebiet und "jeder" verfaehrt sozusagen nach eigenem Gutduenken. Dennoch koenntest du versuchen einen erfahrenen Psychologen zu finden und ihn oder sie aufzusuchen. Selbt ein einfaches Gespraech mit solchen Fachleuten bringt dir sicherlich zusaetzliche Erkenntnisse, was mit dir "los" sein koennte. Ideal waere, wenn du bis dahin einiges an Wissen ueber die Prokrastination angelesen haettest, denn viele Psychologen haben nicht die geringste Ahnung von der Materie und beraten sich vor der Therapie zunaechst mit Kollegen!!! Das ist uebrigens nicht nur bei der Prokrastination der Fall!

Sollte die Prokrastination allerdings in den Genen liegen oder sollte sie, was aus meiner persoenlichen Sicht zutrifft, eine Persoenlichkeitsstoerung sein, gibt es bis heute keine Hilfe!

Also, der extreme Vorfall ist wahrscheinlich nur ein Puzzleteil im grossen Puzzlespiel. Ich vermute, dass es noch andere Momente in deinem Leben gab, wo du sich verzweifelt gefragt hast, was mit dir los ist, oder?

Je wichtiger eine Sache ist und so mehr jemand dabei falsch machen und versagen kann, desto groesser ist der Drang solche Dinge zu prokrastinieren.

Wie empfindest du deine Prokrastination? Ist es eher, dass du Dinge soweit aufschiebst, dass sie dennoch vor dem Abgabetermin fertig sind, oder schaffst du regelmaessig solche Termine nicht? Wie fuehlst du dich, wenn du solche Termine verpasst hast? Und wie nimmst du dich selbst dabei wahr (Selbsthass oder LMAA-Gefuehl)?

Bei diesen Babyschritten spricht die Fachwelt von der "Salamitaktik". Das bedeutet, dass eine groesse Aufgabe in mehrere oder viele kleine Aufgaben zerlegt und abgearbeitet wird. Machst du das so regelmaessig? Klappt das bei dir? Oder wo sind dabei deine Probleme?

Viele Gruesse,
JavaBohne

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