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Update Elle

Posted: Fri 7. Jun 2013, 12:35
by Elle
Da will ich mir mal ein Beispiel an Leo nehmen - hallo Leo! - und auch mal berichten, wie es mir ergangen ist, nachdem ich mich vor ein paar Jahren aus dem alten Forum verabschiedet hatte.

Bin Ende 50 und vor gut 10 Jahren ist mir klar geworden, dass es so nicht weiter gehen kann (siehe alter Beitrag "Die Wende"). Ich habe mich mit anderen im Forum ausgetauscht, Tipps beherzigt, die Vorteile von "Logbuch führen" für mich entdeckt (minutiös am Tag aufschreiben, was ich so tue) im Gegensatz zu einfachen TO DO Listen, und so das Schlimmste verhindert. Viele Jahre lang hatte ich immer wieder Steuererklärungen verschlampt, Behördenkram verschleppt, Privates liegen lassen und bei der Arbeit Datenpflege, Buchführung etc. aufgeschoben, bis die Berge kaum noch zu schaffen waren. Die üblichen Folgen einer Depression brauche ich wohl keinem hier zu beschreiben. Bin bei der Arbeit dann vorbeigeschrammt an ernsthafen Konsequenzen, es ist nicht alles "aufgeflogen" und ich konnte in den folgen zwei Jahren vieles aufholen und gerade biegen, sowohl bei der Arbeit als auch privat. Meine Steuererklärungsverschleppungsmacke hat uns viel Geld gekostet und uns nahe an die Insolvenz gebracht, als in einem Jahr dann für drei Jahre Steuern nachgezahlt und vorausgezahlt werden mussten. Es war der reine Horror.

2005 wurde mir dann klar, dass meine Aufschieberei nur ein Ausdruck meiner dahinter liegenden Probleme war und 2007 habe ich mir dann eine Therapeutin gesucht, humanistische Gesprächstherapie aus eigener Tasche, alle 14 Tage, drei Jahre lang. Die Prokrastination war nicht das Hauptthema, sondern die Ursachen in meinem Alltag, meiner langjährigen Beziehung zu meinem Mann, meiner Kindheit. Die Zuwendung und das geduldige, liebevolle Zuhören und hartnäckige Nachfragen meiner Therapeutin waren allein schon eine große Hilfe. Als alte Besserwisserin und Klugscheißerin waren mir die Ursachen sowieso schon lange klar. Parallel dazu habe ich mich regelmäßig um meine Schilddrüse gekümmert mit Hilfe einer guten Endokrinologin, und die richtige Dosierung von Medikamenten gefunden, nachdem mir deutliche Zusammenhänge mit meiner psychischen Verfassung und Leistungsfähigkeit klar geworden waren. Als nächstes habe ich mit dem Rauchen aufgehört und angefangen mich mehr zu bewegen (Frühschwimmclub, Fahrradfahren, Powerwalken). Meine Depressionen traten kaum noch auf, meine Leistungsfähigkeit wurde besser. Seit Ende 2009 fühle ich mich ohne psychotherapeutische Hilfe in der Lage, allein klar zu kommen. Mein altes Mantra "das schaffe ich sowieso nicht und ich habe die Schuld" habe ich abgelöst durch "du schaffst das schon, weil Du bisher alles geschafft hast. Und die Schuld hast Du sowieso nicht!!"

Unsere Wohnung sieht inzwischen meistens schön aufgeräumt aus, weil ich es geschafft habe, meinen Alltag und Haushalt neben der Vollzeitberufstätigkeit in täglichen kleinen Routinen zu organisieren. Es gibt jeden Abend eine geplante warme Mahlzeit zu essen, die Berge auf dem Schreibtisch entstehen gar nicht erst, eine TO DO Liste hängt am Schreibtsich und umfasst nicht mehr als 6 - 7 Punkte. Es wird nichts mehr bis zum Wochenende aufgeschoben, am Wochenende versuche ich im gleichen Tagesrhytmus zu leben wie in der Woche, weil mir das guttut ("Ausschlafen" gibt es nicht mehr, nur noch zusätzliche Nickerchen am Nachmittag, reiner Luxus). Es gibt auch möglichst kein Überspannen des Dispos mehr, Geld für fällige Steuern wird zurückgelegt, wir fahren nicht mehr für zuviel Geld in den Urlaub und haben das KFZ abgeschafft. Stattdessen sind wir jetzt in einem Carsharing-Verbund (http://www.cambio-carsharing.de), mit dem wir gelegentliche Transporte und kurze Wochenendtrips unternehmen. Reicht völlig, wenn man in einer Großstadt lebt und 5 Supermärkte in der Umgebung hat und es nur 150 KM zum Meer sind.

Also, im Moment ist alles gut. Unser Leben verläuft in überschaubaren Bahnen, unser Kind ist ausgezogen, meinem in 2008 schwer erkrankten Mann geht es wieder besser. Wir hoffen noch auf ein paar schöne Jahre zusammen und würden gern noch mal mit einem Wohnmobil durch Europa gurken, wenn ich in ein paar Jahren in den Ruhestand gehe.

Also, liebe Leute, in Jahrzehnten praktizierte schlechte Gewohnheiten lassen sich nicht über Nacht ändern, das dauert seine Zeit! :P