Endlich angekommen :)

Beschreibung und Diskussion persönlicher Erfahrungsberichte
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JavaBohne
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Re: Endlich angekommen :)

Post by JavaBohne » Thu 27. Nov 2014, 17:43

Hallo Angel,

dein beschriebenes Traeumen oder sich innerlich zurueckziehen wird in Deutschland oft als "Tagtraeumen" bezeichnet. Folglich ist der der tagtraeumt ein "Tagtraeumer". Dieses Verhalten beschreibt psychologisch gesehen das Verlassen der Wirklichkeit in bestimmten Momenten. Das kann einerseits passieren, wenn es einem langweilig ist, z. B. man sitzt teilnahmslos in einem Meeting und wird doch nicht gebraucht. Schon beginnen sich unsere Gedanken an andere Themen heran: Einkaufen, Kino, Aufraeumen, der letzte Besuch des Freundes oder der Freundin oder was auch immer. Ziel ist es unbewusst die Realitaet zu verlassen!

Neumodern spricht man mittlerweile vom "zooming out". Der Traeumer "zoomed" aus der Wirklichkeit "out" und befindet sich in einer Traumwelt. Diese kann unter Umstaenden so wirklich sein, dass manche Menschen Probleme haben "zurueckzufinden". Besonders dann, wenn man Spass daran hat, gerne die Welt traeumend verlaesst oder einfach daran gewoehnt ist!

Als Kind hatte ich das sehr stark. Bei jeder Gelegenheit, z. B. in der Schule, zoomte ich aus und bekam nichts mehr mit. Oft holte mich der Lehrer mit einer Frage zurueck, die er mir stellte. Doch selten hatte ich eine blasseste Ahnung, wovon er ueberhaupt sprach!

Dagegensteuern kann man indem man seine Konzentrationsfaehigkeit erhoeht, z. B. geht das erwiesener Massen sehr gut mit Memory. Auch ds Tagebuchfuehren in Form von kleinen Tagesgeschichten (nicht chronologisch, 8:00 Uhr das getan, etc.), hilft einerseits den Tag zu reflektieren und andererseits sich ueber Strecken hinweg zu Konzentrieren.


Eine funktionierende Methode zur strukturierten Herangehensweise ist z. B. das Erstellen einer brauchbaren Mind-Map. Sie fuellt man mit seinen Gedanken, ordnet sie dann in Gruppen, Kapiteln, Aufgaben, wie auch immer und hat einen roten Faden bis ans Ende seines Projekts. Kennst du das?


Wir alle hier im Forum haben Probleme und wir alles sind auf gegenseitige Hilfe angewiesen. Da die meisten oder zumindest einige relativ anonym sind, ist es auch einfach sich zu oeffnen. Da die Person, die um Hilfe bittet ja nicht XXXX sondern der Alias JavaBohne ist. Deswegen ist es auch einfacher im Forum um Hilfe zu bitten, als vielleicht die Freundin oder Freund.

In diesem Sinne!

Viele Gruesse,
JavaBohne

*LittleAngel*
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Re: Endlich angekommen :)

Post by *LittleAngel* » Thu 27. Nov 2014, 20:40

Danke für deine Worte javabohne :)

Ja mir hilft es, mich hier mitzuteilen, ich bin sowieso jemand, der am liebsten möglichst vielen Menschen erzählt, was ihn quält, ich will schon
gehört werden. Allerdings halte ich mich mit den meisten Sachen zurück, weil nur die wenigsten Verständnis haben. Bei meinen Ängsten war es ok mit meinen Liebsten zu
sprechen, da sie es selbst kannten. Eigentlich hatte jeder in meinem näherem Umfeld mit Panik und Angst zu tun. Schon nach der ersten Attacke wussten sie prinzipiell schon Bescheid was mit mir los ist. Klar hatte ich mich erstmal durchchecken lassen, um körperliche Leiden auszuschließen, aber ihnen war das von vorn herein klar. Hypersensibilität scheint ein wenig in der Familie zu liegen. Ich wusste bis zu dem Zeitpunkt nicht mal davon, dass sie diese Erfahrung bereits machen mussten.

Mit der Prokra allerdings werde ich hier auf wenig Verständnis stoßen, hier regelt jeder seine eigenen Sachen sofort. Klar schieben die auch mal was auf, aber eben nicht so weit, dass es ihnen Probleme bereitet. Ich soll meine Sachen klären heißt es immer, nur weiß niemand dass ich da ernsthaft gehemmt bin und und mir da richtige Methoden entwickeln muss, bis mal was passiert.

Oder eben Hilfe suchen muss, so wie hier im Forum zB :)

Du hast mich eig sehr gut beschrieben, wenn mich Gespräche langweilen, mich Situationen überfordern oder unangenehm sind, dann flüchte ich mich in meine Träumereien, die natürlich sehr oft mit meinen Zielen und Wünschen zu tun haben. Ich liebe meine Träumereien. Dabei führe ich in meinem Kopf zB Gespräche, die ich noch führen muss oder die ich gerne führen würde. Durchaus auch unangenehme, aber in meinen Träumen geht es immer gut aus, in meinen Träumen kann ich mich durchsetzen, mich behaupten, Situationen gut meistern, die ich sonst verpatzen würde. Kurz: in meinen Träumen bin ich erfolgreich, sei es beruflich oder privat. Meine Träume reichen natürlich noch weiter, aber obwohl ich hier sonst offen rede sind mir meine Träume doch heilig und ich werd sie jetzt nicht alle darlegen ;)

Aber allzu oft bin ich ''zoomed-out'', allerdings ist es bei mir nicht so schlimm, dass ich nicht mehr reagiere, wenn mich jemand anspricht (wobei das durchaus von der Situation abhängt und der Person, die mich anspricht :D ). Wie gesagt, ich liebe meine Träume, aber ich liebe das reale Leben immer noch mehr. Sonst wäre ich nicht hier :mrgreen: Am meisten tagträume ich immernoch, wenn ich schlafen will. Das hält mich manchmal sogar vom einschlafen ab, manchmal hilft es aber auch, je nach Müdigkeitsgrad. Ich würde meine Tagträume dann gerne mit in den Schlaf nehmen, aber im Schlaf verarbeitet man die realen Dinge und träumt dann eher etwas anderes. Leider :mrgreen:

Leider vermute ich aber auch, dass das einer der Hauptgründe meiner Prokra ist. Das Träumen ist mein Haupt-Aufschiebeverhalten. Nichts ist einfacher eine unangenehme Situation hinauszuschieben indem man vor sich hin träumt.

Nun reicht es bei mir noch nicht zum Realitätsverlust oder ähnlichem, ich erkenne die Realität an und erkenne sie auch gerne an. Aber man kann sich mit träumen gut selbst trösten, vor Allem wenn man weiß, dass man mit seinem Kopf reale Gefühlszustände auslösen kann, wie bei der Angst. Da werden plötzlich echte Symptome hervorgerufen, wo keine Krankheit existiert. Wo man sich dem einen hilflos ausgeliefert fühlt und Angst bekommt, kann man es auf der anderen Seite aber auch gut für sich nutzen. Diese Erkenntnis hat meine Träume intensiver werden lassen, ich kann fühlen was ich mir vorstelle. Also wenn ich manchmal einsam bin oder traurig, dann stelle ich mir vor dass mich jemand in den Arm nimmt und ich kann die Wärme fühlen. Mit der realen Wärme ist es dennoch nicht vergleichbar und wird diese auch nie ersetzen. Aber man kann sich so einen Wohlfühlfaktor schaffen, wenn er mal nötig ist. Genauso kann es die Euphorie steigern, wenn man von der Zukunft träumt, oder das Selbstbewusstsein, wenn man sich als Sieger träumt.

Der Haken: Die Realität sieht oft anders aus. Und sie trifft einen hart, manchmal umso härter, wenn die Situation so nicht eintrifft wie erträumt.

Ohje alles so komplex :evil: javabohne, ich werde mir deine Tipps zu herzen nehmen, ich habe diese Dinge selbs schon mal aufgegriffen gehabt, aber nie umgesetz.

Aber ich werde ;)

LG und vielen Dank :)
**Wer einen Engel sucht und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans nach Hause bringen.**

-Georg Christoph Lichtenberg-

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JavaBohne
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Re: Endlich angekommen :)

Post by JavaBohne » Sat 29. Nov 2014, 14:51

Angel,
Einerseits ist sehr schwer, sich mit Prokrastination durch das Leben zu "wuehlen". Wenn man aber die richtige Einstellung und Distanz zu dieser "Krankheit" entwickelt, kann man relativ befreit leben.

Meine ganz persoenliche Einstellung und nur fuer mich zutreffende Sichtweise ist diese:

Man sollte sich damit abfinden, dass man an Prokrastination leidet und sie niemals wegbekommt, egal, was man tut! Damit zieht man einen Schlussstrich und ermoeglicht sich selbst ein Leben ohne weniger Druck staendig an einer neuen Therapie teilzunehmen, neues Seminar aufspueren und zu besuchen, neue Buecher erfassen und sie zu lesen, etc. und damit Zeit und auch viel Geld zu verschwenden. Vom aufkommenden Frust, wenn alles nicht geklappt hat, erst gar nicht zu sprechen.

Nichts gegen Therapien (manchen helfen sie), aber durch ein sich Abfinden, geht man auch an Therapien mit einer offeneren Haltung heran, als wenn man verkrampft im Stuhl sitzt und vom Gedanken gequaelt wird, "heute muss es klappen, ich will endlich gesund werden".

Das sich Abfinden eroeffnet ein aufgeschlosseneres Denken, man waegt neue Informationen ab, geht kritischer mit sich selbst um, man hinterfragt sein Tun und damit auch die eigene Prokrastination. Erst nachdem ich mich abgefunden habe, dass mir nichts helfen kann, wurde mir richtig geholfen. Naemlich von mir selbst, von meinem "Unbewussten". Freud haette gesagt, dass "ES" in mir hat mich gelehrt mit der Prokrastination umzugehen.

Durch das sich Abfinden, verringern sich sowohl die depressiven Phasen, sowie auch das "LMAA" (ihr wisst schon, oder?) Gefuehl und erst recht das Aufgeben, Resignieren, nicht mehr "da" sein wollen! Ehrlich gesagt, heute prokrastiniere ich offen. Das heisst, ich luege mich nicht selbst an und prokrastiniere ohne mich selbst auszutricksen. Denn, ich bin faehig geworden anzuerkennen, dass ich jetzt prokrastiniere und das, weil ich es JETZT so will! Dadurch konnte ich eher Leistungen erbringen, Termine einhalten und vor allem Ziele klar und ehrlich definieren, weil die Prokrastinationsphasen kuerzer wurden. Bei Planungen sagte ich mir selbst ganz offen: "Jeden Tag X Stunden plus 1 Stunde prokrastinieren …. Abgabe in vier Monaten, plus einen Monat weil ich prokrastiniere, macht Abgabe in fuenf Monaten. Also lege ich den Abgabetermin auf 5.5 Monaten fest, um sicher zu sein!" Bevor ich mich mit der Prokrastination abgefunden habe, haette ich anders geplant, naemlich keinen Puffer 1.5 Monaten und statt nach vier Monate Abgabe nur drei, weil ich mich selbst ueberschaetzt haette, weil ich mich ja zu Hoechsleistungen puschen kann, denn notfalls gibt es ja noch die Nacht, in der man arbeiten kann! Somit haette ich von vorn herein zweieinhalb Monate Verzug eingeplant, ohne es zu wissen!

Sich abfinden bedeutet nicht, nichts mehr gegen Prokrastination zu tun, sondern bewusster und gelassener zu tun!

Wichtig ist, fuer sich selbst einen Ruhepol zu finden, der es einem ermoeglicht ein halbwegs normales Leben zu fuehren. Das erreicht man aber erst nach einigen Jahren, nachdem man ueberhaupt erfahren hat, dass man Prokrastinator ist und nicht faul, wie das ganze Umfeld behauptet.

Viele Gruesse,
JavaBohne

MarkusJohann
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Re: Endlich angekommen :)

Post by MarkusJohann » Sat 29. Nov 2014, 15:26

Danke Javabohne für deinen letzten Beitrag. Ich lese ihn gerade mehrmals durch.

LynnCaiman
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Re: Endlich angekommen :)

Post by LynnCaiman » Sat 29. Nov 2014, 17:26

Hey zusammen!

Ich persönlich würde es nicht als "Krankheit" bezeichnen, sondern als etwas, was jeder macht - in einem gewissen Rahmen. Es hat psychologische Gründe - bei jedem - auch das ist normal! Wichtig ist eben, herauszufinden, warum man die Sache rauszögert. Zu 99,9% ist es Angst - vor dem Leben, vielleicht auch negative Erinnerungen, die damit verbunden sind, vielleicht auch Angst, durch Ansprüche von außen vereinnahmt zu werden, nicht mehr sich selbst zu sein. Dieses Einlassen auf die Aufgabe ist wie eine Art Beziehungsgestaltung. Eine "gute" Beziehung zur Aufgabe erleichtert deren Erledigung natürlich.

Prokrastination ist keine Diagnose, sondern Symptom, von Normalen und Kranken. Es kann eine psychische Diagnose dahinterstecken als Auslöser, muss es aber nicht. Außerdem gibt es dazwischen noch viele Zwischenstufen und Persönlichkeits- und Arbeitsstile. Ich finde es eher symptomverstärkend, sich in der Prokrastination als Krankheit "einzunisten", weil man sich damit auch rausreden kann (Krankheitsgewinn). Nur ist das eben gar nicht anerkannt als eigenständige Diagnose. Das sollte man schon wissen.
Liebe Grüße
Lynn

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JavaBohne
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Re: Endlich angekommen :)

Post by JavaBohne » Sat 29. Nov 2014, 17:49

Hallo Lynn,

leider ist es nicht so, wie du es darstellst. In der Tat streiten sich die Gelehrten darueber, was Prokrastination ueberhaupt ist. Favorisiert werden vorwiegend folgende Theorien:

- Psychologische Stoerung (mannigfacher Ursachen)
- Krankheit
- Vererbung
- Anerzogen
- Antrainiert

Auch der Begriff Prokrastination ist in den Jahren zu sehr verallgemeinert worden. Im Prinzip unterscheidet man folgende Prokrastinierer:

Den Aufschieber
Jeder schiebt auf und ist ein voellig normales Verhalten, solange kein Schaden entsteht.

Der pathologische Prokrastinierer
Jemand der nicht anders kann und prokrastiniert gegen seinen eigenen Willen und ohne Kontrolle darueber. Dieses Verhalten ist chronisch und sollte behandelt werden. Leider gibt es (noch) keine nachhaltige Therapieform gegen diese pathologische Prokrastination. Im Gegenteil, niemand weiss, warum ein Mensch chronisch prokrastiniert und wie die Prokrastination entsteht. Darueber hinaus gibt es sogar zu viele Arten der Prokrastination, die eine Charakterisierung "der" Prokrastination unmoeglich macht.

Zum Unterschied von Aufschieber (oder normalem Prokrastinierer) zum chronischen Prokrastinator
Ganz kurz erklaert: Der chronische Aufschieber verschiebt selbst dann, wenn ihm dadurch ein empfindlicher finanzieller, materieller, mentaler oder persoenlicher Schaden entsteht. Der Aufschieber oder normale Prokrastinierer macht das nicht!

Zum Beispiel:

- nicht eingehaltete Gerichtstermine. Es ergeht ein Fehlurteil
- verpasste Termine bei der Bank. Es erfolgt die Zwangsversteigerung
- nicht bezahlte Rechnungen. Folge sind Pfaendungen
- sich nicht um seine finanzielle Situation kuemmern. Auch hier die Folge der Pfaendungen

Und ganz klassisch: Das chronische Aufschieben der BA oder MA mit der Folge, des Nichteinhaltens des Abgabetermins!

Ich hoffe, es ist etwas klarer geworden.

Viele Gruesse,
JavaBohne

LynnCaiman
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Re: Endlich angekommen :)

Post by LynnCaiman » Sat 29. Nov 2014, 17:52

@JavaBohne

Klar. Aber ich meinte etwas Anderes: Prokrastination ist derzeit nach den offiziell anerkannten Diagnose-Kriterien wie z. B. auch die Alexithymie noch keine eigenständige Diagnose, sondern "Symptom", von Normalen oder von Störungen. Es ist beides möglich. Außerdem ist auch die Ursache und das dahinterliegende Persönlichkeitsschema unterschiedlich. Es kann z. B. eine Depression dahinterstecken oder aber zwanghaftes Verhalten. Deshalb kann man auch nicht von einer homogenen Gruppe von Prokrastinierern sprechen.
Liebe Grüße
Lynn

masterarbeit
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Re: Endlich angekommen :)

Post by masterarbeit » Sun 30. Nov 2014, 12:04

Die Prokra, so wie ich sie bei mir kenne und aus den meisten Berichten anderer Betroffener, ist "nur" Symptom eines anderen, darunter liegenden, psychischen Problems und damit durchaus behandelbar bis zur Befreiung von ihr. Die meisten auf dieser Seite berichten doch von (anderen) psychischen Problemen bzw. belasteten Elternhäusern und führen ihre P. darauf zurück; von dem her finde ich das schon ziemlich eindeutig.

Zum Beispiel erlebe ich es bei mir ganz klar, dass je besser es mir geht, besonders im Zusammenhang mit zwischenmenschlichen Beziehungen -wenn ich regelmäßig Verabredungen mit Menschen habe, mit denen ich mich gut und von ihnen gemocht fühle- das Arbeiten besser geht und die P. kleiner ist. Dann natürlich noch Faktoren wie die Arbeit mögen und mich emotional meiner Arbeitsstelle samt -umfeld gewachsen fühlen.

Nichtsdestotrotz kann es ja auch andere Fälle geben, in der die Prokra Primär- und nicht Sekundärproblem ist; ich habe es nur noch bei niemandem erlebt. Siehst du das denn bei dir so, Javabohne?

Ich finde die Akzeptanz der P. an sich und sie einfach mal da sein lassen, statt ständig wild wie gegen Windmühlen gegen sie zu kämpfen auch eine konstruktive und interessante Herangehensweise. Ich denke auch, dass nicht alles jederzeit möglich ist. Manchmal braucht es auch die richtige Zeit für manche Dinge. Ich habe auch einen ähnlichen Prozess, gerade im Zusammenhang mit dem Älterwerden (über 30 zu sein) durchgemacht, wo ich viele lang gepflegte idealistische Träume an der Felswand des Realismus und wiederholter Erfahrung habe zerschellen lassen. Ich habe mir eingestanden, wie es wirklich ist und wie es wahrscheinlich weiter geht. Ich weiß, dass nicht von selber irgendwelche Wunder irgendwann passieren werden. Lebensgefühl "Der Glanz ist ab"; wie nach einer durchzechten Nacht mit vielen bunten Lichtern und Hochgefühlen ein nüchternes Aufwachen in einer grauen Stadt mit bewölktem Himmel.

Da muss jeder mal ankommen glaube ich. Allerdings glaube ich genau so, dass das noch nicht alles war und dass man da nicht stehenbleiben sollte. Es kommt jetzt noch was Drittes. Vorher den Kopf in den Sternen, danach die Beine auf dem Boden und dann kommt die Verbindung der beiden. Wenn man jetzt Ziele und Wünsche hat, dann weiß man, ob man sie macht oder nicht bzw. kann, aber man sollte diese schon noch pflegen, finde ich. Dann wird auch wieder ein Stück des "Magie des Lebens"-Gefühl/Erleben zurückkehren, aber es ist ein bodenständiges, weiseres.

Daher finde ich deine Sichtweise der P. als (bis jetzt) unheilbaren Krankheit, die man sein ganzes Leben hat, ziemlich krass, JB. Ich akzeptiere aber auch deine Erfahrungen, die du mit Änderungsversuchen gemacht hast und dass du das als beste Haltung für dich herausgefunden hast. Trotzdem wünsche ich dir, dass das nicht Endstation ist.

LynnCaiman
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Re: Endlich angekommen :)

Post by LynnCaiman » Sun 30. Nov 2014, 13:59

masterarbeit wrote:Zum Beispiel erlebe ich es bei mir ganz klar, dass je besser es mir geht, besonders im Zusammenhang mit zwischenmenschlichen Beziehungen -wenn ich regelmäßig Verabredungen mit Menschen habe, mit denen ich mich gut und von ihnen gemocht fühle- das Arbeiten besser geht und die P. kleiner ist. Dann natürlich noch Faktoren wie die Arbeit mögen und mich emotional meiner Arbeitsstelle samt -umfeld gewachsen fühlen.
Das erlebe ich auch so, masterarbeit. Es hängt alles zusammen. Bisher erkannte ich diese Zusammenhänge zu wenig. Doch jetzt, wo ich das durchschaue, habe ich wirklich die Hoffnung, mein teilweise vorhandenes Aufschieben künftig zu überwinden. Klar ist es wichtig, sich auch in aller Schwäche anzunehmen, doch sehe ich das auch nicht als Endstation. Wie Du sagst, geht es mehr darum, bodenständig und pragmatisch das Problem anzugehen, nicht unrealistisch zu "träumen, was sein könnte und doch nicht ist", aber auch nicht zu "resignieren". Außerdem könnte ich mir das auch nicht leisten. Niemand kann es sich leisten, vor allem wenn das Aufschieben dann wirklich die Existenz bedroht. Das ist ein Teufelskreis, der sich sonst immer mehr verschlimmert. Dann sollte man sich schon psychologische Hilfe holen. Ergothetherapie ist auch ganz gut, da dort ein Angebot besteht bei Erledigungsblockade.
Liebe Grüße
Lynn

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Re: Endlich angekommen :)

Post by JavaBohne » Sun 30. Nov 2014, 19:33

masterarbeit wrote:Daher finde ich deine Sichtweise der P. als (bis jetzt) unheilbaren Krankheit, die man sein ganzes Leben hat, ziemlich krass, JB. Ich akzeptiere aber auch deine Erfahrungen, die du mit Änderungsversuchen gemacht hast und dass du das als beste Haltung für dich herausgefunden hast. Trotzdem wünsche ich dir, dass das nicht Endstation ist.
Hallo Master,

sieh mal, Master. Du bist seit Jahren in diesem Forum und wenn du das alte Forum verfolgt hast, wirst du auch auf mich gestossen sein. Damit will ich sagen, dass wir beide seit langen Jahren versuchen Hilfe fuer unser Problem zu bekommen. Warum sind wir beide nebst anderer "alter Hasen" immer noch hier, immer noch auf der Suche nach "Erloesung" und immer noch Prokrastinatoren? Wie viele "alte Hasen" haben eine nicht erfolgreiche Therapie hinter sich? Und wie wenige haben durch solche Massnahmen Linderung gefunden? Die Antwort tut weh, ist aber so simple, wie es nur sein kann: Wir sind noch hier (oder wieder hier), weil bisher nichts geholfen hat!

Ich habe vier Therapien hinter mir! Alle irgendwann erfolglos und mutlos abgebrochen. In den zwei letzten habe ich sehr viel meines eigenen Geldes investiert. Geld fuer Buecher, Workshops, etc. kamen in den letzen vier Jahren noch dazu. Ich habe sehr viel getan und mich intensiv gegen die Prokrastination gestemmt. Dennoch ist mir persoenlich auch von Psychologen bestaetigt worden, dass wenn die Prokrastination chronisch geworden ist, sie nicht mehr behandelbar ist. Und das von einem weltweit renomierten Institut. Danach habe ich in der Hinsicht aufgegeben, dass ich keine weiteren Schritte in Richtung Therapie gemacht habe.

Zusaetzlich habe ich in 2013 eine Konventionalstrafe bezahlen muessen, weil ich einen Vertrag aufgrund meiner Prokrastination nicht einhalten konnte. Da das Projekt dadurch gescheitert war, resultierte daraus auch ein Einnahmeverlust. Genau das ist ein typisches Beispiel fuer die "chronische Prokrastination"!

Mein obiges Statement: "Meine ganz persoenliche Einstellung und nur fuer mich zutreffende Sichtweise ist diese" war meine ganz persoenliche Sichtweise auf MEINE Prokrastination. Bei dir und bei jedem anderen oder jeder anderen kann und wird es anders sein! Genau das macht die Prokrastination unbehandelbar. Ich rede nicht (und habe ich nie) von der normalen Aufschieberei, die vielleicht ein wenig ausser Kontrolle geraten ist. Man muss einfach diese zwei Unterschiede im Hinterkopf behalten.

Ob meine Sichtweise nun "krass" ist, mag fuer dich so klingen. Aus meiner Sicht und fuer meine Person spiegelt sie aber genau das wider, was ich in den langen Jahren erlebt habe.

Viele Gruesse,
JavaBohne

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