lisa wrote:....Diese Strategie haben wir entwickelt, um uns zu schützen, um uns zu wiedersetzen. Heute ist diese Strategie geblieben, aber sie nützt uns nicht mehr, sie behindert und schadet nur. Es ist so, wenn ich mich selbst (oder jemand von außen) heute diszipliniere, kontrolliere, kritisiere, dann kommen dieselben Wiederstände, die ich schon einmal entwickelt habe. Ich denke, je stärker diese Wiederstände, desto stärker ist auch Prokrastination. Viele Grüße Lisa
Hallo Lisa,
manche Strategien, die der Mensch noch aus Urzeiten her kennt, wie einige Aengste (richtig, Angst ist eine (Ueberlebens-)Strategie), sind heute fuer den Menschen unbegruendet. Wir sprechen von den Uraengsten des Menschen. Dennoch steuern sie uns heute immer noch in gewisserweise wie damals.
Angst, zum Beispiel, erfuellte damals einen Zweck und ermoeglichte dem Menschen das Ueberleben. "Gehe nicht in eine dunkle Hoehle hinein, denn es koennte ein wildes Tier darin sein", symbolisiert die Angst vor der Dunkelheit. Oder wenn Gefahr nahte, instinktiv fortzulaufen. Noch heute hat der Mensch Angst vor der Dunkelheit und "traut" sich (symnbolisch gesehen) in keinen dunklen Raum, ohne das Licht anzuschalten. Oder das spontane Weglaufen bei Gefahr oder einer unkontrollierbaren Situation, Urinstinkte eben. Der heutige Mensch richtet z. B. sein Schlafzimmer fast immer so ein, dass das Kopfende seines Bettes zur Tuer ausgerichtet ist, so dass der schlafende Mensch, sobald er die Augen aufmacht, sofort zur Tuer blickt. Auch ein Urinstinkt, dass dem Urmenschen ermoeglichte in seiner Hoehle ein sich naeherndes Tier oder Feind sofort zu erkennen. Heute haben wir eher Angst vor Einbrecher, aber die Angst ist dieselbe.
Auch Teile der Prokrastination sind in gewisserweise Urinstinkte. Z. B. die Angst zu versagen "Wenn ich das Tier nicht erlege, hat meine Sippe heute nichts zu essen, also muss ich das Tier erlegen". Aber auch die Angst Erfolg zu haben. "Das hast du gut gemacht, ab jetzt bist du unser Haeuptling (und dementsprechend fuer uns alle verantwortlich)". Rivalitaeten und Rangkaempfe innerhalb der Sippe oder Gruppe, das sich behaupten in Kriegen, das verzweifelte Ueberleben in freier Natur, etc. Heute hat der Mensch dieselben Probleme, nur in einem anderen Kleid verpackt. Rivalitaeten und Rangkaempfe auf der Arbeit, das sich behaupten bei vielen Anlaessen: sich Praesentationen zu stellen, Karriere oder Arbeitslosigkeit, "Rangkaempfe" in der Familie, Konflikte zwischen Vater und Sohn, etc. Gerade letzteres spielt bei der Prokrastination bei den Maennern eine hervorgehobene Rolle, die sehr viele bis hin zu fast allen maennlichen Prokrastinatoren zu schaffen macht. Die Folgen sind eine ueberproportionale Entwicklung von Aengsten, burnout syndrome, Depressionen, die vielfaeltigen Prokrastinationen, und viele andere Probleme, die die Psyche des Menschen belasten.
Aus diesen Aengsten heraus hat der Mensch offenbar eine Schutzfunktion entwickelt, das Prokrastinieren! "Wenn ich mich dem Tier erst gar nicht stelle, brauche ich keine Angst zu haben, dass ich das Tier nicht erlege". "Wenn ich meine Sache nicht gut mache, werde ich auch kein Haeuptling".
Viele dieser Urinstinkte bzw. Aengste haben dazu gefuehrt, dass der Mensch Aufgaben aufschiebt. Dieses Aufschieben ist auch voellig normal, jedenfalls bis zu einem Punkt, wo der Mensch anfaengt sich selbst mit seinem (uebervorsichtigen) Handeln zu schaden. Erst dann, wenn das prokrastinierende, selbstschadende Verhalten nicht geaendert werden kann, sprechen wir von der "pathologischen Prokrastination". Ein Prokrastinator empfindet sehr haeufig ueberproportional oft im Gegensatz zu dem gesunden Menschen:
a) Angst (z. B. Versagensangst: Das schaffe ich nicht ODER Erfolgsangst: Das darf ich nicht schaffen)
b) Depression (Selbstzweifel, Selbsthass, das ES ist zu stark)
c) Perfektion (als moeglicher, unbewusster Grund, etwas nicht schaffen zu koennen)
d) Prokrastination (z. B. Folgen von a) bis c) --> also erledige ich das lieber nicht)
Somit fuehrt die Prokrastination viele Menschen in eine Sackgasse und schadet ihnen! Das, was als Selbstschutz der eigenen Psyche gedacht und hervorgebracht wurde, hat sich letztendlich zu einem selbstzerstoererischen und nicht mehr kontrollierbarem Irrlaeufer entwickelt. Das ES regiert!
Nun habe ich viel geschrieben, um aufzuzeigen, wie sich die Prokrastination aus einer Selbstschutzfunktion zu einem Irrlaeufer entwickelt hat. Das ist natuerlich nur eine Meinung von vielen, die in der Psychologie diskutiert wird. Aber sie macht durchaus Sinn.
Empfindest du Aehnliches, wenn du versuchst deine Gedanken niederzuschreiben und letztendlich alles wieder loescht und nur ein Brainstorming ueberbleibt? Vielleicht eine Kombination aus den Punkten a) und c)? Wie denkst du darueber?
Viele Gruesse,
JavaBohne