Licht ins Kopfkino

Themen, die irgendwie mit oder doch nicht mit Prokrastination zu tun haben.
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pro-cras
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Joined: Sun 19. Aug 2018, 16:08

Licht ins Kopfkino

Post by pro-cras » Wed 19. Dec 2018, 12:15

Liebe Foristen,

wir wissen es längst: nur 10% unserer Gehirnsubstanz beschäftigt sich mit dem Außen, der Rest betreibt Innendienst, und entsprechend läuft es mit dem Prokrastinieren. Wenn Ängste, Befürchtungen, Rückgriffe auf alte Erlebnisse und schlechte Erinnerungen uns daran hindern, eine wichtige, aber als unangenehmer eingestufte Aufgabe hinter uns zu bringen, haben wir in unserer Black Box ein inneres Gedankenkino eingeschaltet. Das spielt uns zwar einen Film, der aus der dramatisch/schwarz-weißen Welt des Stummfilms zu kommen scheint, aber irgendwie doch noch einen emotionalen Erinnerungswert antippt. Im Fernsehen hätten wir ihn längst abgeschaltet – warum das also nicht auch zugunsten unserer Tagesrealität versuchen?! Bleiben wir immer Opfer einer chronischen Nostalgie unseres Innendienstes?

Und nur scheinbar treffen uns die vielen Ablenkungsmanöver, die uns Facebook, Twitter, der Nachrichtenkanal oder die WhatsApp ins Haus schicken, nur im Außen. Tatsächlich kitzeln sie ungefiltert genau jene inneren Verschaltungen, die dafür sorgen, dass wir Ablenkung nicht ignorieren, sondern uns von ihnen praktisch willenlos vereinnahmen lassen. Wünsche, Hoffnungen, Erwartungen werden mit dem Klingelton der Messages transportiert und ausgelöst, und wir tappen reflexartig immer wieder in die Falle und werfen unseren Zeitplan über den Haufen.

Es wird mancherorts behauptet, Tiere könnten nicht aufschieben, weil sie keinen freien Willen haben. Damit wird unterstellt, dass Prokrastination bewusst, sozusagen als direkte Willens-Reaktion auf ein äußeres Ereignis erfolgt. Prokrastination aufzuhören wäre also eine Sache des Willens. Das mag z.T. auch sein. Aber die reflexartige Reaktion hin zum Aufschieben bedient sich unmittelbar aus den verborgenen Inhalten gewisser Unterabteilungen unserer Black Box im limbisches System, und beschäftigt damit ein weiteres Mal den Innendienst.

Wir sehen, Prokrastination hat offensichtlich etwas damit zu tun, ob wir den Gedanken und Gefühlen in ihrem limbischen Spiel freien Lauf und "grünes Licht" zum Aufschieben geben, oder ob es uns gelingt, rechtzeitig und auf befreite und mutige Weise mit unserem Verstand dazwischenzugrätschen, in diesem Kopfkino das Licht einzuschalten und schleunigst dem Ausgang und der Tagesrealität entgegenzustreben.
Vielleicht, indem wir uns daran erinnern, dass die alten und hässlichen Erfahrungsschnipsel nicht nostalgisch, sondern einfach nur obsolet sind.

Herzliche Grüße
pro-cras

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