Mögt ihr das, was ihr tut?

Themen, die irgendwie mit oder doch nicht mit Prokrastination zu tun haben.
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leonardo
Posts: 86
Joined: Sat 25. May 2013, 14:39

Mögt ihr das, was ihr tut?

Post by leonardo » Tue 3. Jun 2014, 14:44

Hallo zusammen,
mich würde mal interessieren, ob ihr das, was ihr macht (Beruf, Studium, Schule usw.) gerne tut, oder ob es euch Überwindung kostet. Seht ihr einen Sinn darin?
Was kostet euch in eurem Privatleben Überwindung (z.B. Sport treiben, Hausarbeit, Hobbies) und wird evtl. auch aufgeschoben?

Dann fang ich mal an: Manchmal mag ich meinen Job. Das sind in erster Linie die Momente, in denen ich mich kompetent fühle oder bei guter Teamarbeit und generell gutem Arbeitsklima. Überwiegend mag ich meinen Job aber nicht, weil ich eigentlich unglaublich gewissenhaft arbeiten müsste (mehrere tausend Seiten Gesetze kennen müsste; nein, ich bin kein Jurist!) und in der Praxis aufgrund meiner begrenzten Ressourcen doch nur immer an der Oberfläche kratze. Das finde ich sehr unbefriedigend. Außerdem habe ich im Job wohl leichte soziale Ängste und ständig das Gefühl, irgendwann als Hochstapler entlarvt zu werden. Macht mich innerlich oft ziemlich unruhig und nervös, obwohl ich mit Mitte 50 durchaus auf einige berufliche Erfolge zurückblicken kann. In den letzten Tagen bin ich wieder mit ziemlichen Magenschmerzen zur Arbeit gefahren...

Privat schiebe ich leider auch vieles auf, sogar meine geliebten Hobbies. Manchmal denke ich, abends fehlt mir einfach die Energie dazu, weil ich so viel Energie im Job lasse.

Wahrscheinlich könnt ihr jetzt erkennen, dass meine Frage einen engen Zusammenhang zum meinem anderen Thema "Ego-Depletion" hat.

So, ich hoffe, ihr müsst euch jetzt nicht überwinden, mir zu antworten!

Viele Grüße
Leo

pillepalle
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Joined: Wed 1. Oct 2014, 13:40

Re: Mögt ihr das, was ihr tut?

Post by pillepalle » Wed 1. Oct 2014, 14:37

Ganz ehrlich: meinen Job mag ich nicht. Mich langweilen die Aufgaben, ich mag mein dunkles und lichtarmes Büro mit den alten Möbeln im heruntergewohnten Gebäude nicht, und ich fühle mich oft von meinen Vorgesetzten gegängelt und deren Willkür ausgesetzt. Oft verspüre ich eine Art innerer Widerspruchshaltung, die ich nur schwer überwinden kann.

Die Arbeitstage empfinde ich häufig als sehr mühsam, sodass ich nach der Arbeit ausgelaugt und müde bin, was mich wiederum auch bei meinen Freizeitaktivitäten bremst und blockiert.

*LittleAngel*
Posts: 147
Joined: Fri 21. Nov 2014, 06:36

Re: Mögt ihr das, was ihr tut?

Post by *LittleAngel* » Sat 22. Nov 2014, 00:59

Ich finde das Thema sehr spannend, vor allem weil auch das sicher Gründe für Prokrastination sind.

Ich finde die Selbstreflektion sehr wichtig um aktuelle Probleme überhaupt zu lokalisieren. Schade dass das Thema hier wohl etwas untergegangen ist.

Na dann mal zu mir:
Aktuell liebe ich Alles was ich tue, sei es Hobbies, Privates oder der Job. Nur die Tankstelle würde ich gern loswerden, sobald ich von Nageldesign leben kann, aber hassen tue ich sie dennoch nicht.
Nun bringen diese Dinge bei aller Liebe aber nun mal auch schwierige Situationen mit sich, die ich aufschiebe. Daher gliedere ich mal in Vorteile und Nachteile.

selbständige Nageldesignerin:
Vorteile:
-selbstständig ausgearbeitete Ausbildung absolviert, in der viel Eigeninitiative gefragt ist, das kann durchaus problematisch sein, allerdings nicht wenn man seine Tätigkeit liebt, da übt man bis die Finger bluten, weils einfach Spaß macht. Man hatte freie Zeiteinteilung (was mit der Uni gut zusammenpasste) und war stolz, dass man mit eigener Willenskraft und Übung sich selbst verbessert hat. Ein absoluter Motivationskick und Eigenbestätigung.
-nach der Ausbildung war man dann sein eigener Chef, konnte eine eigene Firma leiten (wenn auch nur eine kleine und nur für sich selbst), sich selbst Aktionen ausdenken, Termine frei einteilen, mit ausgesuchten Menschen arbeiten (manche Kunden gerade in dem Gewerbe sind unverschämt und dreist, die muss man als eigener Chef nicht mehr behandeln, wenn die Chemie nicht stimmt, was als Angestellter nicht möglich ist)
-sich kreativ ausleben, das war immer mein Ziel, und wenn ich das auch noch beruflich machen kann, was will man mehr? :)
Nachteile:
-die Gründung ist teuer, nicht etwa beim anmelden des Gewerbes, sondern angefangen mit der Ausbildung, die man selbst zahlen musste, bis zu den Anschaffungen des Materials, des Autos, der Werbung etc. Insgesamt hat mich der Spaß schon rund 5000 Euro gekostet. Ich habe mich dafür Gott sei Dank nicht verschuldet, sondern alles nach und nach erworben und dafür gespart. Was aber immer mal wieder zur Prokrastination führt, wenn man nicht aufpasst.
-die finanziellen Erfolge lassen auf sich warten, was in der Regel normal ist, viele Kolleginnen mussten am Anfang darauf warten. Aber es setzt einen unter Druck und manchmal resigniert man, wenn man schon wieder etwas nicht bezahlen kann. Das sind meine aktuellsten Probleme momentan, meine Rechnungen werden nach hinten geschoben.
-Konkurrenzdruck/kampf, Vorurteile, Kritik, oder kurzum, die Meinung der anderen. Das kann niederschmetternd sein, wenn Menschen die eigene Arbeit kritisieren, oder kritisieren, dass ich überhaupt diesen Weg eingeschlagen habe. Der Beruf hat leider keinen besonders guten Ruf, was echt schade ist. Man wird nur allzu oft als Pinkie-Glitzer-Blondine abgestempelt, die sonst nix drauf hat, als Fingernägel zu bepinseln. Ich weiß mittlerweile, wie vielseitig dieser Beruf ist, wieviel fundiertes Fachwissen nötig ist um korrekte Arbeit abzuliefern (geht bis in die Physik und Chemie oder Medizin) und was ich selbst auch für ein Mensch bin, daher prallen solche Vorwürfe mittlerweile an mir ab. Aber es kann einen schon hemmen anfänglich sich da richtig reinzuhängen. Aber wenn man das schafft dann stehen einen alle Türen offen, zwar gibt es mittlerweile Nagelstudios wie Sand am Meer, aber viele schlechte und jeder Kunde ist froh aus dem Heuhaufen endlich mal ein anständiges gefunden zu haben. Solche Kunden bleiben dauerhaft und sind dankbar :)

Mein Kunstwissenschaftstudium:
Vorteile:
-Ich kann mich wieder einmal nur mit Dingen beschäftigen die mir Spaß machen. Wenn auch nur in der Theorie.
-Ich kann wissenschaftlich arbeiten, was mir unheimlich Spaß macht. Ich bin doch eh schon den ganzen Tag dabei nachzudenken und rum zu philosophieren, in einer solchen Geisteswissenschaft gibt es unendliche Möglichkeiten seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und es ist schön wenn ich mal nicht nur über mich selbst nachdenke.
-wieder freie Zeiteinteilung

Nachteile:
-freie Zeiteinteilung kann hier leider auch negatives bewirken: die Uni ist dafür prädestiniert aufgeschoben zu werden. Wenig Druck von außen, sehr freie Arbeitsweise. Wenn man dann das Gefühl hat versagen zu können und sich dem nicht aussetzen will, dann kann mans ja im nächsten Semester nochmal versuchen und man schiebt es weg.
-Referate..... mein größtes Horrorszenario, aber gerade in Kunstwissenschaft leider an der Tagesordnung. Mich selbst und meine Arbeit überzeugend einer Gruppe zu vermitteln und dann auch noch den mit Doktortiteln geschmückten Dozenten...Horror. Dem fühle ich mich sehr oft nicht gewachsen, gerade weil ich wieder das Blondieklischee erfülle und deshalb auch hier oft nicht ernst genommen werde. Wird gnadenlos weggeschoben, obwohl ich durchaus schon Erfolgserlebnisse damit hatte. Wenn ichs in Angriff genommen habe, hats sogar Spaß gemacht. Trotzdem immer wieder eine enorme Überwindung.
-die finanzielle Belastung: Mir steht kein BafÖg zu, weil meine Eltern zu viel verdienen, aber eben nicht genug um mich mitzufinanzieren. Ich habe zwar das Nageldesign und die Tankstelle, aber darf ohnehin nicht mehr als um die 600 verdienen (auf das ich momentan aber eh nicht komme), weil ich sonst meinen Studentenstatus verlieren würde... also große Sprünge machen? No way, und das entmutigt enorm. Man wird klein gehalten mit seinen Erfolgen.

Tankstelle:
Vorteile:
-ich kann mit Menschen arbeiten, was mich damals enorm geholfen hat mit der Entwicklung meines Selbstbewusstseins. Man MUSSTE sich Fremden stellen und auch mal unangenehmen zwischenmenschlichen Situationen, man hatte keine Wahl. Das half mir in meiner Entwicklung. Heute ist es für mich normal und macht sogar Spaß.
-festes Einkommen: zwar nicht viel, aber sorgt erstmal für finanzielle Sicherheit :) Wenn auch momentan nicht so erfolgreich.

Nachteile:
-Als Aushilfe hat man keine festen Arbeitszeiten, also nicht den Hauch von Tagesrythmus. Den habe ich mit meinen Berufen/Uni ohnehin gar nicht. Also riesiges Chaos im Prinzip, zumindest wird es das wenn man so ein Chaot ist wie ich. Das hat zur Folge dass man Dinge verschusselt und plötzlich den Überblick verliert. Sich diesen wieder zu schaffen wird weggeschoben. Man könnte ja etwas entdecken was einem nicht gefällt unter den vielen unerledigten Sachen.
-schwieriges Angestelltenverhältnis, als Aushilfe hat man eine geringe Bezahlung, wenig zu melden und viel zu schlucken, weil man so leicht ersetzt werden kann. Hier werden dann Konfrontationen weggeschoben, man folgt einfach, was mir aber so gar nicht liegt.
-Man hat das Gefühl das es einem nichts bringt, außer die Bezahlung. Es bringt mich meinen Zielen vom Wissen her gesehen kein Stück weiter. Man muss aber berücksichtigen dass es mir meine Ziele finanziert. Und trotzdem hat man manchmal das Gefühl dass einen das belastet und nur aufhält. Man kann dagegen wirken indem man sich sagt dass man es ja für seine Ziele macht, hilft aber nicht immer.

Hobbies/Privates:
Ich werde jetzt nicht auf alle einzeln eingehen sondern nur kurz was dazu sagen. Ich mag meine Hobbies, aber die schiebe ich tatsächlich oft ganz weg. Hier habe ich ganz oft das Gefühl, dass mir die Zeit, der Nerv oder die Kraft fehlt. Sport treiben gehen? Ein Kunstwerk malen? Ein Buch lesen? Ja morgen dann.... schlimmer wird es dann, wenn diese Hobbies mit sozialen Kontakten verbunden sind, sich sogar manchmal eine Art Konkurrenz aufbaut (beim Sport zb, wer ist besser). Da ziehe ich mich gern dann ganz raus. Mir fehlt einfach die Kraft dazu, auch bei Menschen die ich liebe und die mich lieben, wo es mir jetzt nicht ums selbstbewusstsein geht. Ich kann manchmal nichtmal ein Gespräch ertragen und ziehe mich zurück. Solche Hobbies sind dann von meiner Liste ganz weggestrichen... zumindest erstmal. Ich ertrage manchmal einfach keine anderen Menschen. Dafür kenne ich keine Gründe. Jedenfalls werden Treffen, diese Hobbies, der Kaffee bei den Eltern etc einfach weit weit weggeschoben. Sowas findet nur dann statt, wenn man nicht drum rum kommt, wie an Weihnachten und Geburtstagen. Dabei liebe ich diese Menschen und bin froh dass ich sie habe, empfinde aber manchmal schon die bloße Anwesenheit von Menschen als anstrengend oder unangenehm. Das ist aber nur Phasenweise richtig schlimm, wenn ich mal nicht in so einer Phase stecke, dann hab ich die sogar total gern um mich :)
Haushaltsaufgaben-weg damit :roll:
Prinzipiell kann man sagen, ich zwinge mich zu allem, was unbedingt nötig ist (klar muss auch ich putzen, Wäsche waschen, kochen) und der Rest wird weggeschoben. Manchmal schiebe ich aber auch mal die wichtigen Sachen weg (finanzielles, kochen). Also Privat macht sich die Prokrastination sogar noch mehr breit.

LG und danke fürs interessante Thema, vllt fühlt sich ja doch nochmal einer inspiriert zu antworten :)
**Wer einen Engel sucht und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans nach Hause bringen.**

-Georg Christoph Lichtenberg-

masterarbeit
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Joined: Sat 10. May 2014, 11:32

Re: Mögt ihr das, was ihr tut?

Post by masterarbeit » Sat 22. Nov 2014, 10:06

Hallo little Angel,

nur eine kurze Zwischenfrage: Wie kommst du darauf, dass du nicht mehr als 600 Euro verdienen darfst (wenn du eh kein Bafög bekommst)? Du sprichst damit die Studentenversicherung an, oder? Zu meiner Zeit (2012, also nicht so lange her) galt nur die Regelung, dass du nicht mehr als 20h die Woche arbeiten darfst (weil es dann mehr als 50 % ist). Ich habe die meiste Zeit 750-1000 Euro im Monat verdient und hatte nie Probleme.

Und darauf kommt es doch an, auf die Zeit (damit dir Zeit zum Studieren bleibt) und nicht auf den Verdienst. Damit wäre man ja gezwungen, sich nur nach mies bezahlten Jobs umzuschauen, wenn man viel arbeiten muss, also das ergibt keinen Sinn. Wenn das eine Vorgabe deiner Krankenkasse ist, würde ich mal gegenchecken, wie das bei anderne KK ist und ggf. wechseln.

Falls du mehr Geld brauchst, kann ich dir den Bildungskredit der KfW (staatlich) empfehlen. Der hat einen niedrigen Zinssatz. Ich habe 2012 ca. 5000 Euro in Anspruch genommen und bis jetzt, 2014, sind ca. 150 Euro Zinsen angefallen. Mittlerweile habe ich den kompletten Kredit samt Zinsen zurückgezahlt. Du kannst auch nach und nach immer was zurückzahlen. Ich kann dich verstehen, wenn du nicht gerne Schulden machst, das ist auch eine super Eigenschaft, aber es kann manchmal sinnvoll sein, z. B. wenn sich ohne einen Kredit unnötig dein Studium in die Länge zieht. Ich habe während meiner Masterarbeitszeit den Kredit beantragt, weil es mir zu viel war, gleichzeitig zu arbeiten und die Arbeit zu schreiben. Es gibt halt Menschen, die beides gut hinkriegen, ich hab nicht dazu gezählt und finde auch im Rückblick, dass ich da eine gute Entscheidung getroffen habe.

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