Tagebuch des Desperate_One

Beschreibung und Diskussion persönlicher Erfahrungsberichte
The_desperate_one
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Tagebuch des Desperate_One

Post by The_desperate_one » Tue 5. Sep 2017, 14:26

Hallo liebe Forenleser,
dieser Thread soll mein unregelmäßiges Tagebuch werden. Das Tagebuch soll mir als Stütze dienen um meine Prokrastination einzuhegen, sowie als mögliche Anregung für Prokrastinations-Betroffene, denen dieser Ansatz hilft. Das werden nicht alle sein.

Disclaimer: Da es mir im Moment einigermaßen ordentlich geht, fühle ich den von einem vielleicht etwas zu wachen Gewissen oder Perfektionismus getriebenen Impuls, mich zu rechtfertigen, dass ich hier im Forum überhaupt schreiben "darf" : ). Vielleicht (aber ich weiß letztlich nicht ob das zutrifft) können Erfahrungsberichte oder das Lesen ähnlicher Gefühls-/Denkstrukturen andere entmutigen, die erfolglos mit ihrer Prokrastination kämpfen. Als Rechtfertigung führe ich zwei Dinge an:
- dass ich mit dieser Problematik aus meiner Sicht immer stark kämpfe - wenn auch vielleicht jeder von uns einen ähnlichen oder auch ganz verschiedenen, eigenen Kampf führt. Etwa 3 Jahre lang habe ich so gut wie gar nichts zustande gebracht und war u.a. wegen der damit verknüpften Depressionen im Krankenhaus, habe meinen Job gewechselt und wurde in meinem Arbeitsumfeld einfach aus Menschenfreundlichkeit unterstützt, sonst hätte ich gar keinen mehr.
- dass das Tagebuch hier mir selbst hilft. Was einem selbst hilft, das sollte (ich und) jeder sich selbst klar machen, ist bereits allein dafür etwas wert, und sei es nur für genau eine Person. Natürlich hoffe ich, dass es außerdem ähnlich gestrickten Betroffenen irgendwelche Anregungen bieten kann - und bitte, was auch immer euch durch den Kopf spukt, meldet euch gerne auch hier zu Wort!

Vielen Dank speziell an JavaBohne für diese Web-Präsenz und ihre Unterstützung!

Freundliche Grüße,
Jan

The_desperate_one
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Re: Tagebuch des Desperate_One

Post by The_desperate_one » Fri 8. Sep 2017, 08:34

6.-8.9.

Habe es drei Tage lang geschafft, ca. 9:00 zur Arbeit zu kommen, was deutlich früher ist als die letzten Monate : ) Dazu gelang es mir, 30-50% der Zeit zu arbeiten, was mich recht glücklich und erschöpft gemacht hat. Gleichzeitig rege ich mich über mich selbst auf, dass ich bei 40% Produktivität erschöpfe. : ( Ok, nach meinen etwas prefektionistischen Kriterien wäre für viele Menschen deren normale Produktivität auch weniger als 100% (vielleicht 75?) - trotzdem!
Meine privaten Planungen des Dinge-Erledigens kamen durcheinander, da ein Freund für 8 Wochen in Kur geht (er wollte aber jetzt kurz davor ganz dringend nicht mehr dorthin : ). Daher gab es zwei abendfüllende Extra-Freundeskreis-Treffen. Komme mit der Änderung der Planung klar, aber es gibt einfach noch so viele gefühlte Baustellen, die ich nicht wirklich anpacke...

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JavaBohne
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Re: Tagebuch des Desperate_One

Post by JavaBohne » Wed 13. Sep 2017, 01:35

Hallo Jan,

Gratualation fuer deinen Mut und dein Durchhaltevermoegen. Es tut gut dein Tagebuch und den darin beschriebenen Erfolg zu lesen.

Zwei Dinge fallen mir spontan auf. Du wirst aegerlich, wenn etwas nicht klappt - kenne ich, so regierte ich frueher auch. Du koenntest dir aber vor Augen halten, dass du gegen einen Anflug von Prokrastination nur bedingt etwas tun kannst. Da du aber dieses Tagbuch eroeffnet hast und dir und uns darlegst, wie du deine Zeit meisterst, hast du bereits der Prokrastination aufgezeigt, dass du bereit bist, die rote Linie zu deinem Gunsten zu verschieben. Toll gemacht, Jan. Bitte weiter so.

Zweitens, vielleicht verwechselst du Produktivitaet mit Kapazitaet. Beides ist nicht das gleiche und schon gar nicht dasselbe. Wenn du bei einer Produktivitaet von ca. 40% muede bist, hast du damit gleichzeitig deine Kapazitaet erreicht. Produktivitaet ist sozusagen der Istzustand deiner Leisungsfaehigkeit, die Kapazitaet jedoch die hoechste Leistung die du kurzfristig unter Ausnutzung aller Reserven leisten koenntest. Das das nicht (gut) geht und von Dauer ist, wissen wir alle. Aber wenn du fleissig trainierst, wirst du deine Kapazitaet erweitern koennen was sich ganz klar durch eine erhoehte Produktivitaet ausdruecken laesst.

Uebrigens, die Strategie der kleinen Schritte, oder die sogenannte Salamietechnik, ist in der Psychologie eine altbekannte und aeusserst erfolgreich angewandte Methode grosse Aufgaben/Projekte/Abschnitte in kleinere ueberschaubare und somit erfuellbare zu zerlegen und anzugehen. So, wie im Bauwesen von Bauschnitten gesprochen wird (lach).

Ich hoffe, recht bald wieder von dir zu lesen.

Viele Gruesse,
JavaBohne

The_desperate_one
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Re: Tagebuch des Desperate_One

Post by The_desperate_one » Tue 15. May 2018, 14:27

Hallo liebe Foristen,

ich wollte mich mal wieder zurückmelden, dass ich heute, 8 Monate nach meinem letzten Post, auch noch nicht viel weiter bezüglich Prokrastination bin als damals. Trotz Therapie und Selbststudium von Prokrastinations- und Psychologieratgebern sowie sogar wissenschaftlicher Fachliteratur. Manchmal ist das nicht gerade ermutigend.

Pro: Meine allgemeine emotionale Verfassung ist durch die Therapie besser.
Pro: Manchmal bekomme ich Dinge getan. Phasenweise.

Con: Genau jetzt habe ich wieder 14 Tage lang absolut nichts auf der Arbeit auch nur angefangen. :/
Pro: Dafür habe ich recht viel sonst für mich getan (Haushalt, Weiterbildung, Freunde, etc.). Jene Bereiche haben mich gestützt.

Con: Ich leide weiterhin stark darunter, dass ich fast nie langfristige Projekte (beruflich und privat) durchgefürt bekomme.

Passend zum Nick - Etwas verzweifelte Grüße,
Jan

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JavaBohne
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Re: Tagebuch des Desperate_One

Post by JavaBohne » Wed 23. May 2018, 11:01

Hallo Jan,

es ist schoen wieder von dir zu hoeren.

Auch wenn dein gesamter Thread auf den ersten Blick ziemlich ernuechternd auszusehen scheint, bin ich persoenlich recht positiv ergriffen. Denn du berichtest uns, dass es dir nach Therapie und Selbststudium diverser Literatur besser geht. Und ich denke, darauf kommt es an. Meine ganz persoenliche Empfehlung als "pathologischer Prokrastinator" ist, mach um Himmelswillen weiter und hoere niemals auf, dich gegen die Prokrastination zu stemmen. Denn sieh mal, seit vier Jahren kaempfe ich persoenlich die MOS(E) in verschiedenen Bereichen abzulegen, habe mich immer wieder mal sehr gut vorbereitet, es aber nie zur Pruefung geschafft. Dennoch habe ich dadurch soviel Wissen ueber die Anwendung der Software gelernt, dass ich auch dadurch beruflich weiterkam und mitlerweile mein Wissen an andere Kollegen weitergebe. Das ist doch sicherlich ein Erfolg, oder? Das konnte ich aber nur erreichen, weil ich trotz erheblicher Rueckschlaege, die in monatelangen depressiven Phasen endeten, meinen Weg zurueckgefunden habe.

Die Fachliteratur ist oftmals eintoenig, das heisst, sie ist viel zu oft fuer die so genannten schulischen/studentischen oder "normale" Aufschieber geschrieben worden, denen sehr gut und in vielerlei Hinsicht geholfen werden kann. Viel zu selten findet man tatsaechlich Literatur fuer den pathologischen/chronischen Prokrastinator. Die Unterschiede beide verschiedenen Gruppen zu therapieren sind gewaltig.

Wie wirst du weiterhin gegen die Prokrastination vorgehen?
Hast du Plaene fuer deine Zukunft?
Wie planst du und setzt diese Ziele um?

Viele Gruesse,
JavaBohne

Trödeltrine
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Re: Tagebuch des Desperate_One

Post by Trödeltrine » Mon 2. Jul 2018, 10:51

Hallo Jan,
wie geht es Dir inzwischen?

Mich würde interessieren, welche Form der Therapie Du machst/gemacht hast.

... (Sorry, lieber Jan, für's Löschen meines Beitrags. War mir zu persönlich.) ...

Ich freu' mich, wenn Du mal wieder schreibst - ganz gleich, ob Du Erfolge oder Misserfolge oder eine Mischung zu berichten hast.

Herzlich, die Trödeltrine
Last edited by Trödeltrine on Sat 5. Jan 2019, 00:37, edited 1 time in total.
Schade, aber so ist's: Mit Beginn des Jahres 2019 verabschiede ich mich schweren Herzens aus dem Forum. Was ich schrieb, nehm' ich (größtenteils) wieder mit in der Hoffnung, einen passenderen Ort dafür zu finden.

The_desperate_one
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Re: Tagebuch des Desperate_One

Post by The_desperate_one » Wed 12. Sep 2018, 13:06

Hallo Trödeltrine - und hallo Javabohne -,

ich habe Tiefenpsychologie gemacht. Meine Therapie ist jetzt nach 100 Sitzungen zu Ende. Es geht mir nicht schlecht, aber meine Prokrastination habe ich nicht im Griff. Und diese sehe ich auch als größten Risikofaktor für mein psychisches Wohlergehen. Meine Bilanz zu meiner Therapie ist gemischt, letztlich denke ich hat sie schon etwas geholfen, aber war für meinen Geschmack zu lang. Ich habe mich vom Therapeuten überreden lassen zu einer Verlängerung um 50 Sitzungen, die ich eigentlich nicht wollte. Die Therapie hat so gut wie nicht gegen die Prokrastination geholfen - eher gegen die Depression, und auch da ist der Effekt zwischen Null (evtl. wäre es mir ohne Therapie gleich ergangen?) bis ganz ordentlich (wenn ich annehme, dass mein Zustand allein durch Therapie verbessert wäre - eigentlich glaube ich das allerdings so nicht). Auch vor der Therapie hatte ich von Zeit zu Zeit einiges hingekriegt, und vor 10 Jahren definitiv sehr viel mehr als heute. Die maximale Ausprägung meiner Prokrastination war vor ca. 3 bis vor 2 Jahren, mit leichter aber noch nicht wirklich zukunftsfähiger Besserung danach.

Dennoch, ich bin dankbar, dass ich häufiger Lebenslust verspüre und die depressiven Phasen zu leicht-depressiven Phasen verflacht sind. Eigentlich ein großer Fortschritt, aber andererseits völlig stabil und wohl fühle ich mich nicht (das alte Ich ist ja noch da).

"Wie wirst du weiterhin gegen die Prokrastination vorgehen?
Hast du Plaene fuer deine Zukunft?
Wie planst du und setzt diese Ziele um?"

For the record, ich habe auf diese Fragen zum genau jetzigen Zeitpunkt keine Antwort. Meine Kraft fließt hautpsächlich dahin den Status Quo irgendwie aufrechtzuerhalten, und das erschöpft mich. Vielleicht blieb ich deshalb bezgl. Prokrastination stecken.

Desweiteren muss ich bezüglich Selbstbeobachtung konstatieren, dass ich in vielen Lebensbereichen phasenweise aktiv bin, oder anders gesagt nicht lange dabei bleibe (man könnte es impulsiv nennen) bzw. bei wiederkehrender Beschäftigung die inaktiven Phasen dabei oft zu lange sind - allerdings ist das anders in einigen Bereichen. Vielleicht sollte ich eine Arbeit mit mehr Abwechslung anstreben, wobei dann meine fehlende Selbstorganisation zuschlägt - keine Ahnung also was das Richtige wäre. Außerdem meine ich erkannt zu haben, dass Ungeduld ein häufiger vorkommendes meiner inneren Themen ist. Das auf der anderen Seite ebenfalls vorhandene Gegenstück bei mir ist ungewöhnliche Akribie, die ich gegenwärtig hauptsächlich im Hobbybereich auslebe.

Nun zum impulsivem Aktionismus: Meine beruflichen Deadlines kommen mal wieder bedrohlich nahe, daher hier wieder einmal eine Notfall-Tagebuch-Initiative:
12.9. 15:46
(Diese Themen sind aus meinem Stapel von Themen sorgfältig ausgewählt, da sie zumindest potentiell nur Mini-Aufwand zum Erledigen benötigen - mit Vorbehalt, manchmal dauert etwas halt doch länger. Ich will diesen Beitrag zur Herstellung einer gewissen sozialen Verbindlichkeit nutzen um mich zum Arbeiten zu bringen - obwohl wir uns ja hier eher flüchtig digital kennen - trotzdem ;) )
Mini-Arbeitsthema 1 für heute ist etwas das ich fehlerhaft tat und nicht korrigieren will - unangenehme Konfrontation meines Fehlers
Mini-Arbeitsthema 2 ich hatte mir von einem Kollegen etwas schicken lassen das ich eigentlich brauche - liegt schon eine Woche unnütz herum
Mini-Arbeitsthema 3 Kooperationsarbeit mit anderem Kollegen - liegt seit einem Monat brach. Es fehlen nur paar kleine Arbeitsschritte, dann wäre diese Arbeit evtl. zumindest für mich noch nützlich.

Erledigte Themen 12.9.: --- (nichts mehr)
13.9. 14:28 +: Habe Mini-Arbeitsthema 1 (MA 1) heute ca. 3,5h bearbeitet - meine Arbeitskontinuität heute ist einerseits triumphal besser als seit Wochen, andererseits ist MA 1 immer noch nicht ganz gelöst. Das hatte ich mir einfacher vorgestellt. Update: Die Fehler scheinen behoben, Ergebnisprüfung sieht jetzt recht positiv aus. Hammer-Gefühl dass es jetzt tatsächlich klappt, obwohl das Ding komplex ist.
13.9. 17:33: MA 2 ist zu 80% erledigt, eine Kleinigkeit fehlt noch. Heute lief es nicht schlecht, aber ich musste auch wieder den Berg an Arbeit vor mir besichtigen. Letzteres zog mich wieder etwas runter - Morgen wird ein anstrengender Tag, da ich eine Präsentation zimmern muss, und was da rein soll ist noch nicht fertig.
13.9. 18:26: Bin noch auf der Arbeit geblieben um MA 2 auf 100% zu bringen. Krasser Arbeitstag heute - aber es ist trotzdem noch sooo viel zu tun :?

Zwischenfazit: Dieses Tagebuch hier hilft mir - zumindest einmalig/kurzfristig - echt! Ich glaube dahinter stecken zwei Gründe:
1. Dieses Tagebuch ist meine eigene Idee einer Initiative. Selbstbestimmte Dinge funktionieren nach meiner Erfahrung besser als fremdbestimmte (allerdings bisher tendentiell jeweils nur kurze Zeit).
2. Ich stelle mir hier vor, dass andere Mensche mir quasi in jedem Augenblick "zuschauen" könnten, ohne das sie mir hier (als negativer Anreiz) drohen werden. Also quasi eine Art positiver, teilweise imaginärer Unterstützerkreis - wir Menschen haben halt meist recht starke soziale Trigger, denke ich.

Viele Grüße,
Jan

The_desperate_one
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Re: Tagebuch des Desperate_One

Post by The_desperate_one » Sun 16. Sep 2018, 11:54

Okay, ich habe jetzt Freitag und Samstag das Ganze aufgeschoben, wobei meine innere Panik dabei immer größer wurde. In letzter Zeit hat mein Aufschiebeverhalten aufgrund der Deadline (Vortrag ist am Montag zu halten) daher noch folgende eskalierende Symptome entwickelt:
- Die Blockade selbst ist sehr stark. Die Arbeit erscheint wie ein Alptraum und wenn ich arbeite, kommen sehr sehr starke Gefühle der Ablehnung immer wieder auf und unterbrechen den Flow. Ich umkreise den Gedanken mich krank zu melden oder meinen Job hinzuwerfen, aber eine störrische Stimme will beides nicht, was hoffentlich zum Abschluss der Arbeit führt, aber andererseits keine leichte Flucht-Lösung der (manchmal einfach zu starken) inneren Anspannung zulässt.
- Innere Angespanntheit und Stress in beinahe jedem Moment. Gedankenkreisen um zu erledigende Arbeit bei gleichzeitig recht tiefer Angst vor eben dieser. Keinen Sinn für irgendetwas (Anrufe von Freunden und Familie, alles blocke ich ab - ich weiß aber auch dass ich mich nicht darauf konzentrieren kann.) Sport/Natur bringt mich vom Stress nicht runter, Schlaf ist unruhig und kurz. Müdigkeit.
- Ab gestern Hautjucken und Hautausschläge, Verdauungsstörungen, wechselndes Hitze/Kälteempfinden, Zittern (der Hände), Muskelverspannungen, unstillbarer Hunger (bei vollem Magen), depressive Symptome (Verzweiflung, kein Vertrauen in mich selbst, schwarzes Ausmalen meiner Zukunft, Welt scheint keine guten Seiten zu haben, Pessimismus). Ich bin mir recht sicher aus Erfahrung, dass die körperlichen Sachen stressbedingt / psychosomatisch sind. Die Symptome verlaufen periodisch und sind in freundlicher Gesellschaft schwächer. Als ich mich in meiner alten Firma krank schreiben ließ, verschwanden die meisten Symptome innerhalb von Minuten, ein paar innerhalb von ~2Tagen bei deutlicher Besserung nach einer Nacht. Medikamente oder Dinge wie Kaffee habe ich überhaupt nicht genommen und lieber nicht in meiner Nähe (ich weiß, ich würde das sonst tonnenweise zu mir nehmen).

-- Eine positive Sache habe ich erforscht: Sehr kaltes Wasser hilft etwas, da mein Körper danach anscheinend denkt, der Stress käme vom kalten Wasser und danach etwas entspannt, bis meine ziemlich Amok laufende Psyche nicht allzu lange danach wieder richtig anfängt Panik zu verbreiten. Kurzfristig wirksam.

12:00 (leider Sonntag) Heute habe ich wieder etwas weitergearbeitet (u.a. weil ich mir diesen Herzausschüttungspost als Belohnung versprochen habe), was etwas Erleichterung bringt. Dennoch: Was getan ist erscheint mir nicht gut genug und es verbleiben außerdem noch 60%-75% des Vortrages zu tun.

Update 18:15 Bin jetzt relativ weit gekommen, es fehlt noch ca. 25% für ein natürlich nicht allzu supertolles aber fertiges Ergebnis. Symptome sind weitgehend verschwunden, Stimmung ist gut. Durch meine starke Stimmungsaufhellung fühle ich mich aber fast irgendwie manisch-depressiv. Das ist übertrieben: Aber emotional instabil als Folge oder Komorbidität der Prokrastination stimmt mit Sicherheit.

Update 21:50 Bin immer konzentrierter dran und jetzt bei 95%. Fühle mich zwischen Superheld und Supertrottel das nicht früher alles gemacht zu haben. Aber ich weiß sehr wohl rückblickend dass ich rechtzeitig anzufangen einfach nicht konnte. Diese inneren Blockaden sind rätselhaft stahlhart -.-

Update Montag 23:35 Fertig mit Arbeiten. Die letzten Stunden liefen im Flow. Fahre nach Hause 00:05 Zuhause. Müde. Muss noch packen

Trödeltrine
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Re: Tagebuch des Desperate_One

Post by Trödeltrine » Mon 17. Sep 2018, 06:08

Wow Jan, tapfer!
Ich freu' mich sehr, dass Du es geschafft hast!
...
Aus "ich muss noch packen" schließe ich, dass Du für den Vortrag verreisen musst - nun, dann wünsche ich Dir gute Fahrt und dass es beim nächsten Vortrag eben doch besser klappt. Du schreibst in der Vergangenheit: "dass ich rechtzeitig anzufangen einfach nicht konnte" - das finde ich gut, denn darin steckt m. E. ein kleines, aber wichtiges Gefühl von "diesmal noch nicht, aber in der Zukunft könnte es möglich sein!?" Also bleib dran, hier im Forum und vielleicht auch in einer virtuellen SHG (z.B. per eMail) wenn es in Deiner Nähe keine "leibhaftige" gibt und Du auch keine gründen möchtest/kannst. Dann muss es nicht so bleiben, wie es war.
Meint - aus eigener Erfahrung -
die Trödeltrine
Last edited by Trödeltrine on Sat 5. Jan 2019, 00:38, edited 1 time in total.
Schade, aber so ist's: Mit Beginn des Jahres 2019 verabschiede ich mich schweren Herzens aus dem Forum. Was ich schrieb, nehm' ich (größtenteils) wieder mit in der Hoffnung, einen passenderen Ort dafür zu finden.

leonardo
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Re: Tagebuch des Desperate_One

Post by leonardo » Mon 17. Sep 2018, 08:58

Hallo Jan,
erstmal Glückwunsch zum fristgerechten Erledigen und ich hoffe, dein Vortrag läuft gut!

Ich kenne solche Momente zur Genüge. Es gibt angeblich den sog. "Arousal Procratinator" der erst im letzten Moment kreativ sein kann und dann aber in einen wahren Rausch kommt. Daran habe ich gedacht, als du vom Flow geschrieben hast.

Bei mir hat bei solchen Gelegenheiten die Angst eine große Rolle gespielt:
- Die Angst vor Bewertung durch andere (wenn ich nichts fertigstelle, gibt es auch nichts zu bewerten. Und unterbewusst: Wenn meine Arbeit schlecht ist, bin ich ein schlechter Mensch)
- Die Angst, nicht gut genug zu sein
- Die Angst, was danach kommt (wenn ich meine letzte Prüfung abgelegt habe, muss ich mir einen Job suchen)

Wenn du dich darin irgendwo wiederfindest, dann empfehle ich dir die Strategie der kleinen Schritte. Diese Schritte müssen so klein sein, dass sie keine deiner Ängste aktivieren, z.B.:
- sich nur für 5 Minuten an den Schreibtisch zu setzen und danach wieder das tun dürfen, was du willst
- oder auch nur der Vorsatz, mindestens 1 Satz zu schreiben

Oft ist das Problem ja gerade der Anfang. Und mit den kleinen Schritten ist der Anfang ganz leicht. Und vielleicht bleibst du ja nach dem ersten Satz am Ball?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine Psychotherapie (bei mir war es die kognitive Verhaltenstherapie) durchaus gegen eine Depression helfen kann, aber kaum gegen die Prokrastination. Mit alternativen Methoden (EFT, Wingwave) hatte ich da schon größere Erfolge. Entsprechende Berichte findest du im Forum.
Viele Grüße
Leo

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