Prokrastiniere ich oder doch nicht?

Beschreibung und Diskussion persönlicher Erfahrungsberichte
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onleine
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Prokrastiniere ich oder doch nicht?

Post by onleine » Thu 26. Sep 2013, 20:15

Hallo Forum.
Ich muss gestehen, dass ich etwas unsicher bin, ob ich richtig bin oder nicht. Warum? Ich persönlich würde sagen, dass ich Prokrastination "betreibe". Ich habe meinen Hausarzt darauf einfach mal angesprochen (als neutrale Person) und er meint nein. Um es zu beurteilen, muss ich sicherlich etwas ausholen:
Ich bn im klassischen Bürojob angesiedelt. Ich mag meinen Beruf außerordentlich, da ich im Grunde völlig branchenfremd eingestiegen bin und mittlerweile (nach mehreren Jahren) sogar Personalverantwortung habe. Geregelte Zeiten, nette Kollegen, ansprechendes Gehalt... nichts über das ich mich beschweren kann. Jedoch erwische ich mich immer wieder dabei, dass ich während meiner Arbeitszeit anderen Dingen nachgehe, als denjenigen, welche eigentlich wichtiger wären. Ich schiebe ständig einige Dutzend E-Mails vor mir her (bzw. deren Beantwortung), neue Akten werden lieber irgendwann gesammelt angelegt (wenn der Baum richtig brennt), als immer mal wieder ein oder zwei pro Tag. Stattdessen recherchiere ich irgendwelches, im Grunde belangloses Zeug - z.B. den Songtext des Liedes welches gerade im Radio im Hintergrund läuft oder auch ein Stichwort, welches ein Kollege beiläufig hat fallen lassen und mir ungeläufig ist. Oder sei es nur der seltsame Name des Fisches aus der Kantine vom Mittag. Will sagen: Ich kann warten, um etwas, das ich nicht weiß, sofort zu beantworten - ich muss es immer sofort erledigen (weil ich auch schnell wieder vergesse was es war, wenn ich es nicht notiere). Häufig sind es auch private Dinge, welche ich nicht zu Hause erledigen kann, da dort Kinder, Frau und Haushalt warten und ich mich nebenbei auch noch ehrenamtlich engagiere. Wenn also am Abend noch Zeit bleibt, so fällt diese meist dem Ehrenamt zum Opfer, sodass die privaten Dinge kaum Zeit finden. So fällt dann z.B. die Recherce nach Winterreifen gerne mal in die Arbeitszeit.
Also: Ich wage mich nicht an die Dinge, welche ich in meiner Arbeitszeit erledigen sollte, weil ich
A) denke, dass diese zu viel Zeit benötigen und irgendwer wird mich sowieso wieder mit etwas anderem stören
B) wir unteresetzt sind und daher sowieso ein Rückstau entsteht und manche Dinge regeln sich mit der Zeit sowieso von allein
C) ich im Teufelskreis der Erledigungen "Arbeit - Privates - Ehrenamt" stecke.

Zum Ausmaß: Es kann durchaus vorkommen, dass ich manchmal schlichtweg einen halben Arbeitstag "verplempere". Sicher, wirklich dringende Dinge erledige ich sofort, aber alles was nicht wirklich brennt, wird gerne auf die lange Bank geschoben. Folglich bin ich definitiv der Meinung, dass ich Prokrastiniere. Ich beschäftige michseit vielen Jahren mit Zeitmanagement und Selbstorganisation. Habe auch "Stundenpläne" und weiß-der-Kuckuck-was entworfen, um es in den Griff zu bekommen, aber es will mir einfach nicht gelingen. Ich denke, dass bei mir ein Fall von "Attention Deficit Trait", also einer Aufmerksamkeitsschwäche, mit hoher Bereitschaft zur Ablenkung vorliegt. Und das obwohl ich z.B bei meinem Mail-Programm die ständige "neue Mail"-Nachricht abgestellt habe und trotzdem alle fünf Minuten mein Postfach checke.

Ich kann nicht mehr weiter. Ich möchte meine Arbeit nicht verlieren, kann auch schlecht mit meiner Frau darüber reden, da sie sehr impulsiv ist und ich befürchte, dass sie es nicht verstehen wird. Ich habe einfach keine Ahnung, was ich anstellen soll.

Vielen Dank im voraus. MfG

NolensVolens
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Joined: Tue 1. Oct 2013, 20:12

Re: Prokrastiniere ich oder doch nicht?

Post by NolensVolens » Tue 1. Oct 2013, 20:23

Ich glaube nicht, dass es sich bei deiner Überschrift wirklich noch um eine Frage handelst. Du beantwortest sie ja mehr oder weniger selber. Es handelt sich bei deinem Verhalten meines Erachtens um Prokrastination und das siehst du ja wohl auch so,
Vor einiges Jahren was ich in einer sehr ähnlichen Situation. Ich glaubte auch einen tollen job zu haben. Ich entwikelte auch intensive Prokrastinationssymptome. Erst nach langer Gruppentheraphie wurden mir dann die wahren Ursachen klar. "Mein Unterbewusstsein" steuerte diese Prokrastination. Die Prokrastination half mir meinen Job loszuwerden, den ich tief im Inneren nicht mehr wollte. Ich traute mich auch nicht meiner Frau zu sagen, dass ich lieber etwas machen wollte.
Als ich dann mit dem Job endlich aufhören konnte und meine neue Arbeit aufnahme, war es mir dem Prokrastinationspuk sofort vorbei. Heute arbeite ich eher zu viel und zu intensiv :-)
Ich prokrastiniere lediglich noch, wenn es um die Steuererklärung geht. Aber das ist ja wohl normal :P

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nova
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Re: Prokrastiniere ich oder doch nicht?

Post by nova » Wed 13. Nov 2013, 17:34

Hallo onleine,

mE prokrastinierst du auf jeden Fall und solltest das Problem wie eine ernsthafte Erkrankung angehen. Also dir Zeit dafür nehmen, nach Lösungen suchen, Experten kontaktieren usw.

Meine Ideen für die ersten Schritte:
  • Das Ehrenamt sofort vollständig einstellen. Ich kenne das sehr gut: Solange es nicht um die eigenen Belange geht ist man seeeehr hilfsbereit und investiert viel Zeit. Nur leider hilft dir das Ehrenamt kein Stück weiter.
  • Sprich offen mit deiner Frau. Erwarte nicht, dass sie deine Situation und Probleme nachvollziehen kann, aber in einer Beziehung sollte der Partner mE informiert werden, wenn dich etwas belastet.
  • im Job morgens mit ganz kleinen Aufgaben beginnen. Das kann das Scannen einer Rechnung sein. Fang mit Dingen an, die dir ganz leicht fallen und freue dich darüber, dass du es geschafft hast.
  • Versuch alle Aufgaben in möglichst kleine Teilaufgaben zu zerlegen, auch wenn das dir das zunächst überflüssig erscheint. Statt "Angebot X schreiben" wäre die erste Teilaufgabe z.B. "Altes Angebot als Vorlage unter neuem Namen abspeichern". Die zweite Teilaufgabe könnte sein "Adresse von X in das Adressfeld eintragen". Dieses Vorgehen hilft dir einerseits unklare Teile einer Aufgabe zu konkretisieren und andererseits helfen die kleinen Erfolge dein Selbstvertrauen aufzubauen. Erwarte hier keine Wunder von heute auf morgen, sondern verfolge dieses Prinzip über einige Monate. Rechne auch mit Rückschlägen und bleib am Ball.
  • Mir hat die verstärkte Zusammenarbeit und Kommunikation im Job sehr geholfen. Sprich stärker locker mit Kollegen (nicht einigeln) und versuch dich neben Kollegen zu setzen, die etwas schaffen und dich ein Stück weit mitreißen.
  • Notiere dir jeden Tag am Abend drei positive Dinge, die du geschafft hast. Auch wenn da am Anfang nur scheinbare Kleinigkeiten stehen. Wenn du kannst, lies sie dir selbst noch einmal laut vor. Dein Gehirn wird so langsam "umprogrammiert" und fokussiert sich auf die positiven, erreichten Dinge. Dein Unterbewusstsein ist nämlich extrem mächtig bei diesem Prozess und muss vom Gegner zum Verbündeten umgepolt werden.
Viel Erfolg!

Vielleicht hast du auch Lust auf Austausch und Motivationshilfe? Schau doch mal in mein Posting - ich würde mich freuen.

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