Erfahrung: Chatvideo Uni Muenster

Beschreibung und Diskussion persönlicher Erfahrungsberichte
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JavaBohne
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Erfahrung: Chatvideo Uni Muenster

Post by JavaBohne » Sun 7. Jul 2013, 17:38

Ich habe auf Zeit.de ein interessantes Viedeochat zum Thema Prokrastination gefunden, dessen Link ich euch gerne zur Verfuegung stellen moechte.

http://www.zeit.de/studium/uni-leben/20 ... ster-tipps

Anwesend in der Diskussion war auch Frau Margarita Engberding - die ich an dieser Stelle herzlich gruesse. Sie leitet an der Uni Muenster die Prokrastinationsambulanz. Es waere schoen, wenn sich moeglichst viele dieses Video ansehen und sich hier eventuell eine Diskussion und ein Erfahrungsaustausch ergibt. Deshalb halte ich mich zunaechst mit einem Kommentar ueber das Video zurueck.

Viele Gruesse,
JavaBohne

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JavaBohne
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Re: Erfahrung: Chatvideo Uni Muenster

Post by JavaBohne » Tue 10. Dec 2013, 05:34

Schade, die Resonanz auf dieses Video war nicht besonders hoch. Nun, um ganz ehrlich zu sein. Ich habe nicht viel von diesem Video gehalten, und dass aus den unterschiedlichsten Gruenden. Allerdings wollte ich in meinem Eingangspost kein Urteil vorwegnehmen, um eine zeitlang unparteiisch zu bleiben.

Ich denke, dass sich die Foristen das Video mal ansehen sollten, die mit dem Gedanken spielen, eine Therapie zu machen. Fuer dieses Gruppe ist diese Diskussion meiner Meinung nach relativ wichtig. Und dass im positiven wie auch im negativen Sinne!

Viele Gruesse,
JavaBohne

Blockflöte
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Re: Erfahrung: Chatvideo Uni Muenster

Post by Blockflöte » Tue 10. Dec 2013, 14:53

Okay, ich habe es mir jetzt angesehen und mich doch entschlossen, sofort zu antworten, sonst vermute ich, wird das nix mit der Antwort.

Einen Punkt zu Anfang fand ich nicht gut, und zwar sagte Frau Engberding auf die Frage nach der Faulheit, dass sie nur über die Prokrastination spricht, die im Hinblick auf EINE wichtige Aufgabe passiert. Ansonsten seien die Prokrastinatoren relativ aktiv. Aha, danach bin ich also doch faul, da ich mich für relativ wenig aktiv halte und alles Mögliche aufschiebe, Musik machen, Aufräumen, Putzen, private Telefonate, unangenehme berufliche Tätigkeiten, also von allem etwas.

Es ging dann aber doch gut weiter, finde ich. Als Problem sprach sie an: Organisiertheit und Selbstkontrolle.
Das sind bei mir zwei ganz große Probleme neben dem mangelnden Selbstvertrauen und der Angst, Fehler zu machen.

Die Module, die sie vorschlägt, hören sich auch gut an.
Üben, pünktlich zu beginnen. Einen realistischen Zeitpunkt suchen, wo man jeden Tag eine bestimmte Aufgabe erledigt, 10 Minuten vorher darauf vorbereiten. Das kenne ich nämlich auch, ich muss erst noch aufs Klo, ich mach mir erst nen Tee etc.

Zeitrestriktion (muss ich gleich mal nachgucken, ob das so richtig ist, ok, passt), also die Zeit verknappen. Eine bestimmte Arbeit nur in einem bestimmten Zeitfenster tun dürfen. Erst bei Erfolg wird das Zeitfenster verlängert.

Sie sagte, man muss verlässliche Gewohnheiten aufbauen. Das finde ich auch ganz wichtig, damit man nicht jedesmal wieder neu überlegen muss, was mache ich dann und dann, wie fange ich an etc.

Auf die Frage, warum man auch angenehme Tätigkeiten aufschiebt, sagte sie, auch die angenehme Tätigkeit hat Konkurrenten und muss sich durchsetzen und braucht immer einen Grund, warum ich das JETZT mache. Im Moment ist mir die angenehme Tätigkeit vielleicht doch zu anstrengend. Wenn man sich das bewusst macht, vielleicht schafft man es dann besser. Überhaupt das Bewusstsein, was tue ich gerade.

Insgesamt fand ich das Video deshalb ganz gut.

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JavaBohne
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Re: Erfahrung: Chatvideo Uni Muenster

Post by JavaBohne » Fri 13. Dec 2013, 00:47

Aber wenn gerade in der Eingangsphase die Prokrastination als eine Art Faulheit angesehen wird, kann doch aus rein sachlicher Ueberlegung nichts Vernuenftiges mehr kommen. Denn es wurde von Anbeginn der falsche Ansatz zum Thema gewaehlt. Ich versuche staendig Prokrastinatoren einzureden, dass sie eben nicht faul sind, sondern sich nicht so organisieren koennen, wie es dem Begriff "normal" entspricht.

Das Problem der Selbstkontrolle: Die Selbstkontrolle mag fuer einen gesunden Menschen funktionieren, aber nicht oder selten fuer einen Prokrastinator. Ich vergleiche einen Prokrastinator gerne mit einem Alkoholiker! Der Alkoholiker kann kein Glas stehen lassen und muss trinken. Wir Prokrastinatoren koennen keine Aktivitaet beginnen und muessen passiv sein! Im Prinzip sind die Zwaenge von beiden oberflaechlich und zum besseren Verstaendnis vergleichbar. Denn auch die "Sucht" (in Anfuehrungszeichen natuerlich) ist aehnlich, nur umgekehrt - denn man bringt es einfach nicht fertig etwas tun tun! Also wie bringe ich einen Prokrastinator dazu, sich zu kontrollieren? Das ist sehr schwer, aber bis zu einem gewissen Grad moeglich.

Das Problem puenktlich zu beginnen: Hier hat die Dame sicherlich recht! Wenn wir Prokrastinatoren lernen koennten, wie man eine Aufgabe puenktlich beginnt, waeren wir schon einen Schritt weiter. Das wir das aber nicht tun oder koennen, macht uns zu Prokrastinatoren. Es ist schon ein Teufelskreis. Wir leiden an dieser Krankheit (ich sehe es als Krankheit an), und koennen uns selten aus eigenem Antrieb davon befreien. Und ueber die Jahre gewoehnen wir uns zusaetzlich auch noch diese Passivitaet an und es wird noch schlimmer. Das sehe ich bei mir im Augenblick stark hervortreten.

Verlaessliche Gewohnheiten aufbauen: Das finde ich in der Tat eine sehr gute Idee und ich versuche im Augenblick dorthin zu kommen. Jeden Tag versuche ich ein bestimmtes Pensum zu schaffen. Dabei gebe ich mir allerdings weder eine definitive Zeit noch Aufgabenziel vor. Ich bin froh, dass ich mich tatsaechlich hinsetze und mit meiner Aufgabe anfange. Ich versuche eine Stunde daraus zu machen. Dauert es laenger ist das ein Erfolg fuer mich, wird es weniger, habe ich zumindest etwas getan. Das ist fuer mich bereits ein Bombenerfolg. Sicherlich moechte ich dahin, dass ich mir eine bestimmte Zeit vorgeben kann und den Zeitrahmen dann auch erfuelle. Aber dass hat bei mir noch nie funktioniert und waere praktisch das Ende der Prokrastination. Also unmoeglich!

Dinge die Spass machen: Im Video habe ich zum ersten Mal davon gehoert, dass man auch Positives prokrastiniert, weil ES (die Prokrastination in mir) mich dazu zwingt! In der Fachliteratur, etc. ist immer nur davon die Rede, dass man Negatives aufschiebt, Positives hingegen gerne erfuellt. Den Punkt hebe ich aus dem Video positiv hervor.

Es ist sicherlich schwierig fuer die Psychologen eine gemeingueltige Diagnose fuer alle Prokrastinatoren aufzustellen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wohl jeder Leidende seine eigene ganz individuelle Prokrastination entwickelt hat und das macht es besonders schwer eine wirkende und vor allem nachhaltige Therapie zu entwickeln. Und genau deswegen scheitern praktisch alle Bemuehungen der Psychologen, uns helfen zu wollen.

Abschliessend finde ich allerdings, dass mich persoenlich kaum etwas in diesem Video ansprach. Das mag aber auch daran liegen, dass meine Prokrastination anders gelagert ist. Doch auch Teilnehmer im Video aeusserten sich zum Teil versteckt kritisch.

Viele Gruesse,
JavaBohne

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nova
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Re: Erfahrung: Chatvideo Uni Muenster

Post by nova » Sat 14. Dec 2013, 15:41

Hallo JavaBohne
JavaBohne wrote:Aber wenn gerade in der Eingangsphase die Prokrastination als eine Art Faulheit angesehen wird
Frau Engberding sagt doch genau das Gegenteil. Sie erzählt, dass sie (in der Ambulanz) beobachten, dass viele Prokrastinierer in anderen Lebensbereichen sehr aktiv sind und daher eben nicht faul sind. Faulheit ist nach Fr. Engberding nur gegeben, wenn alle Bereiche des Lebens passiv laufen. Und selbst dann möchte sie den Begriff Faulheit vermeiden, weil er (zu Unrecht) negativ konnotiert ist.
JavaBohne wrote:Ich versuche staendig Prokrastinatoren einzureden, dass sie eben nicht faul sind, sondern sich nicht so organisieren koennen, wie es dem Begriff "normal" entspricht.
Das hat Fr. Engberding mit ihren Modulen ja auch indirekt gesagt. Pünktlich beginnen und realistisch planen sind ja zwei Klassiker des Selbstmanagements.
JavaBohne wrote:Das Problem der Selbstkontrolle: Die Selbstkontrolle mag fuer einen gesunden Menschen funktionieren, aber nicht oder selten fuer einen Prokrastinator.
Mir ist aufgefallen, dass ich keinen der Hangout Teilnehmer zu den harten Prokrastinierern zählen würde. Die haben natürlich alle ihre Probleme mit Fristen usw., leiden aber zumindest mE nach noch nicht wirklich stark unter dem Problem. Harte Prokrastinierer haben eine Müllkippe zuhause und/oder keine Freunde und/oder Depressionen und/oder massive Probleme im Job und/oder massive gesundheitliche Probleme. Und für leichte Prokrastinatoren mögen die Module schon in der Selbsthilfe wirksam sein. Für harte Fälle geht es mE nur unter professioneller Anleitung. Ob das ein Verhaltenstherapeut ist, eine Selbsthilfegruppe oder was auch immer. Alleine wird es für die harten Fälle extrem schwierig bis unmöglich.
JavaBohne wrote:Wir Prokrastinatoren koennen keine Aktivitaet beginnen und muessen passiv sein!
Mit "müssen" wäre ich vorsichtig. Du hast vielleicht bisher keine andere Erfahrung gemacht, aber es gibt immer Lösungswege. Ich spreche aus Erfahrung.
JavaBohne wrote:Also wie bringe ich einen Prokrastinator dazu, sich zu kontrollieren?
In harten Fällen nur mit externer Hilfe, s.o.
JavaBohne wrote:Wir leiden an dieser Krankheit (ich sehe es als Krankheit an)…
Ich sehe es auch als Krankheit und kann auch den Vergleich zu anderen Suchtkrankheiten gut nachvollziehen.
JavaBohne wrote:… und koennen uns selten aus eigenem Antrieb davon befreien.
Dazu kommt noch, dass kaum jemand auf Prokrastination spezialisiert ist und selbst die die es behaupten nicht immer helfen können.
JavaBohne wrote:Und ueber die Jahre gewoehnen wir uns zusaetzlich auch noch diese Passivitaet an und es wird noch schlimmer. Das sehe ich bei mir im Augenblick stark hervortreten.
Such dir Hilfe von einem Profi. Notfalls den Therapeuten wechseln.
JavaBohne wrote: … und waere praktisch das Ende der Prokrastination. Also unmoeglich!
Was soll daran unmöglich sein? Ich glaube, Du hast dich nur sehr an den Gedanken gewöhnt, dass du so bist. Das lässt sich aber trotzdem noch ändern :lol:
JavaBohne wrote:Es ist sicherlich schwierig fuer die Psychologen eine gemeingueltige Diagnose fuer alle Prokrastinatoren aufzustellen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wohl jeder Leidende seine eigene ganz individuelle Prokrastination entwickelt hat und das macht es besonders schwer eine wirkende und vor allem nachhaltige Therapie zu entwickeln. Und genau deswegen scheitern praktisch alle Bemuehungen der Psychologen, uns helfen zu wollen.
Alle Bemühungen scheitern? Entschuldige, aber das ist Quatsch. Zum einen gibt es alle möglichen Psychologen usw. die sehr individuell helfen können und bereits Betroffenen geholfen haben. Zum anderen sagt Fr. Engberding im Hangout, dass das dritte Module in vielen Fällen hilft. Warum man prokrastiniert mag sehr individuell sein, aber das Erlernen normaler Verhaltensweisen scheint für viele Betroffene mit solchen Modulen bereits möglich zu sein. Und die gehen nicht auf deinen individuellen Fall ein.
JavaBohne wrote:Doch auch Teilnehmer im Video aeusserten sich zum Teil versteckt kritisch.
Aha? Wer und wann? Ich hatte einen anderen Eindruck. Die Teilnehmer waren mE alle leichte Prokrastinierer, die sich zudem bislang kaum mit dem Thema auseinander gesetzt hatten. Das Mädel aus Ö konnte das Wort nicht mal aussprechen. Die waren am Ende alle froh überhaupt mal Gleichgesinnte gesprochen zu haben und etwas zum Thema gehört zu haben, auch wenn ich nicht glaube, dass dieser Hangout ihr Verhalten ändern wird.

Mich würde interessieren, ob sich hier jemand als Betatester für das von Fr. Engberding angesprochene E-Coaching gemeldet hat (JavaBohne?). Wenn ja, wie habt ihr das gemacht? Ich habe keinen Link gefunden. Ich rufe da sonst mal durch, weil ich das Thema spannend finde. Denn in dem Hangout wurde ziemlich deutlich, dass man mit professioneller Anleitung wesentlich besser und schneller Verhaltensänderungen erreichen kann.

Schönes Wochenende

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