
Zunächst einmal: Ein dickes fettes Dankeschön dass es Menschen gibt, die diese Problematik zum Thema machen und uns
damit eine Plattform geben sich damit auseinander zu setzen und auszutauschen. Wirklich toll!

Bis vor einer Stunde hatte ich nicht einmal die geringste Ahnung, dass es für diese Problematik überhaupt einen Namen gibt und
wie viele Menschen das betrifft und wie unterschiedlich sich sowas auswirken kann.
Nun mal zu mir:
Ich muss etwas weiter ausholen, denn ich habe mit psychischen Problemen schon viele Erfahrungen machen müssen und ich bin mir jetzt auch schon ziemlich
sicher dass die Prokastination damit in Zusammenhang steht, daher etwas ausführlicher:
Angefangen hat meine ganze Misere in der Kindheit. Ich war ein Macher als Kind (wenn man das überhaupt so formulieren kann für die Altergruppe), in der Grundschule herausragend gut, nur einsen, der Stolz der Familie. Beliebt unter meinen Freunden, die ''Anführerin'' der Gruppe und ein besonderes Talent zum Malen/Zeichnen/Gestalten. Das alles änderte sich schlagartig, als ein elendes Familienmitglied sexuell übergriffig wurde im Alter von 10. Schon vorher war entsprechendes Familienmitlied herablassend zu mir, hat meine Grenzen nicht respektiert und mich runtergebuttert wo es nur ging, erst mit dem Übergriff allerdings hat er mich gebrochen.
Der Unterschied war nur allzu deutlich: plötzlich ab der 5. Klasse schlechte Noten, schüchtern, in mich gekehrt, ich wurde ein sogenanntes ''Opfer''. Kaum verwunderlich, denn ich hatte nun die fixe Idee mich selbst zu hassen, mich selbst nicht zu respektieren und dachte mir dass die anderen damit schon Recht haben, wenn sie mich nicht leiden können und mich verachten. In der Jugend haben viele mit ihrem Selbstbewusstsein zu kämpfen, aber bei mir fühlte es sich immer anders an, ein richtiger Selbsthass eben. Ich schätze hier auch hat die Prokastination bereits Früchte getragen, vermindertes Selbstwertgefühl, schlechtere Noten, kein Erfolg, also alles soweit aufgeschoben bis es nicht mehr ging, um den Misserfolg nicht haben zu müssen (man will ja perfekte Leistung abgeben, um endlich was Wert zu sein, aber fühlt sich ohnehin nicht im Stande das zu leisten, weil man sich selbst für einen Versager hält). So wurschtelte ich mich durch die Mittelstufe, hab den gymnasialen Zweig mehr schlecht als recht gemeistert. Ab auf die Oberstufe, neue Leute, neue Anforderungen, selbe Situation. Schlechte Noten, schüchtern, in mich gekehrt, Termine aufgeschoben. Das Resultat: elfte Klasse wiederholen. Der zweite Anlauf klappte besser, denn den ganzen Stoff kannte ich ja schon. Hier passierte auch eine weitere entscheidende Veränderung: ich habe meine erste große Liebe kennen gelernt, auch nur durch eine Freundin, ich selbst hätte den Mut nicht gehabt. Plötzlich war ich wieder jemand, ich war Sein. Allein dadurch war ich in seinem Freundeskreis respektiert, hatte mehr soziale Kontakte denn je. Ich kam wieder aus meinem Schneckenhaus. Leider unterlief mir hier trotzdem ein fataler Fehler: Ich habe mein ganzes Leben nach ihm ausgerichtet, und das meinige in den Hintergrund gestellt. Mir reichte es Sein Mädchen zu sein, ich wollte nicht mehr sein. Das Resultat kam schleichend. Schule wieder schlechter, keine Zukunftspläne, Hobbies und einfach alles was mich ausmacht vernachlässigt. Also kam es soweit, dass ich zum Abi nicht zugelassen wurde, meine Pferde verkaufen musste und plötzlich vor dem Nichts stand. Mit Alkohol abgeschossen ließ ich auch die Bombe platzen was den Übergriff anging vor meinen Eltern und meinem Freund, und alles war wieder da an Erinnerung, die ich so erfolgreich verdrängt hatte. Als ich dann, vor dem Nichts stehend, keine eigene Persönlichkeit habend und als Übergriffsopfer bewusst geworden, auch noch eine Magen Darm Grippe bekam mit anschließender Magenschleimhautentzündung, was mich gnadenlos ins Untergewicht trieb, war es Aus! Mein Körper und mein Verstand zogen die Notbremse. Mit Luftnot zusammengebrochen den Notarzt gerufen, das Resultat: Anstzustände, Panikattacken, Depressionen. Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Täglich mit der Angst zu sterben, zu versagen, verletzt zu werden, nichts Wert zu sein, keine Zukunft zu haben leben zu müssen war nur noch Qual, nur noch vor sich hin vegetieren, man wollte nur noch den Tag rum kriegen ohne einmal mit Panikattacken kämpfen zu müssen oder beim Arzt zu sitzen. Angetrieben von meinen Liebsten besorgte ich mir eine Stelle als FSJ, welche dazu führen würde, dass damit mir zumindest eine Fachhochschulreife anerkannt werden würde. Endlich gab es wieder einen Sinn und die Schuljahre waren nicht umsonst. Ich ging in Therapie um mich und mein Leben wieder in den Griff zu kriegen. ICh ging zur Ernährungsberatung und verspeiste highcarb Produkte für Krebskranke, um wieder zunehmen zu können. Endlich wieder Erfolge. Die Angst vor Krankheiten bekam ich in den Griff, zugenommen hatte ich auch, das FSJ machte Spaß und ich zog es erfolgreich durch und bekam mein FOS. Mein Studium winkte. Mein Peiniger wurde zwar nicht angezeigt, aber zur Rede gestellt, er musste sich vor allen dafür entschuldigen und sich aus unserem Leben zurückziehen. Ein Problem bestand trotzdem weiter: geringes Selbstwertgefühl, kein Selbstbewusstsein. Das führte dazu, dass sich die Angst einfach ein neues Ventil suchte und sich nun in Form von Eifersucht ausdrückte (Angst vorm Verlassen werden, Vertrauen schon wieder missbraucht wird, ich nichts wert bin). Und zwar krankhafte Eifersucht mit all ihren Facetten (spionieren, kontrollieren, dem Partner Liebschaften unterstellen). Das führte so weit, dass sich mein Liebster trennte. Und wieder war ich Dauergast im Krankenhaus, an Studium war nicht zu denken und meinen Nebenjob an einer Tankstelle bewerkstelligte ich mehr schlecht als recht (häufig verschlafen, zu spät gekommen, Termine verschusselt). Ich war wieder am Boden. Ich war doch Sein, wer bin ich jetzt, wenn nicht mehr Sein? Für wen stehe ich morgens noch auf, für wen kann ich mich richtig ins Zeug legen, wer wird stolz auf mich sein? Die nächste Herausforderung bahnte sich an: Ich musste mich Selbst finden, endlich meinen Wert schätzen lernen, mich lieben lernen. Ich ging wieder in Therapie, brach diese aber ab, weil wir uns nur noch im Kreis drehten. Ich beschäftigte mich nun intensiv mit mir selbst, wer bin ich überhaupt, was will ich überhaupt und wo will ich hin? Wie kann ich es schaffen mich selbst zu lieben? Der Übergriff forderte leider auch optische Tribute. Als Kind versuchte ich mich auszudrücken, indem ich lange am Daumen nuckelte. Wurde später übrigens durch Rauchen von mir ersetzt. Das hatte zur Folge, dass meine Nase im Wachstum Gegendruck erzeugte, weil ich beim Nuckeln immer mit dem Zeigefinger auf die Nase gedrückt hatte, dadurch wurde sie enorm krumm und groß. Desweiteren sind meine Zähne dadurch schief gewachsen und Rauchen tat sein übriges. Ich fand mich einfach abstoßend und hässlich und hielt mich dazu noch für einen Versager. Wie kann man so jemanden lieben lernen? Ich habe viele Tipps und Methoden ausprobiert, aber nichts half. Bis meine Schwester mit dem entscheidenden Tipp kam: ''Sieh dir mal ein Kinderfoto von dir an und überleg dann, ob du dieses kleine süße Mädchen wirklich hassen kannst. Würdest du auch unsere Nichten hassen, nur weil sie nicht immer funktionieren oder weil sie Narben haben aufgrund eines Vorfalls?'' Das gehörte zu den einschlägigsten Erfahrungen in meinem Leben. Ich sah auf mein Kinderfoto und brach in Tränen aus. Nein, die hat es nicht verdient, gehasst zu werden, die hat es nicht verdient, verurteilt zu werden oder nicht respektiert zu werden, im Gegenteil, die sollte in den Arm genommen werden für das was man ihr angetan hat, sie hätte Hilfe nötig gehabt. Nein, diese kleine süße Maus auf dem Bild, die so hoffnungsvoll und fröhlich in eine schöne Zukunft geblickt hatte, die konnte ich nicht hassen. Es brauchte einige Zeit damit ich begriff, die kleine Maus auf dem Bild, das bin ja ich




So, dann schildere ich mal die Situation, wie sie heute ist (denn trotz aller Erfolge bin ich nicht umsonst hier gelandet):
Ich bin nun fast 26, habe mein ganzes junges Leben damit verbracht, meine Dämonen zu verarbeiten, während andere gestärkt und selbstbewusst erfolgreich in ihr junges Leben gestartet sind. Ich bin noch immer am studieren und noch immer nicht besonders weit. Ich bin selbstständige Nageldesignerin seit eineinhalb Jahren, was mir unheimlich Spaß macht, aber noch nicht die gewünschten finanziellen Erfolge erzielt, sodass ich weiter an der Tankstelle arbeiten muss. Ich schiebe vieles auf, bin ein absoluter Chaot und habe null Organisationstalent. Ich weiß genau wo ich hin will, habe aber noch immer nicht das Gefühl es jemals erreichen zu können. Und ich komme finanziell nicht zurecht. Habe Angst meine Post zu öffnen, weil defintitiv schon böse Post dabei ist, ich diese Sachen aber nicht bezahlen kann. Dabei geht es um Krankenkasse und Versicherungen, nicht etwa um Bestellungen oder dergleichen. Im Haushalt bleibt oft vieles liegen. Ich wohne noch bei meinen Eltern, wobei ich meine eigene Wohnung mit seperaten Eingang habe. Zahle aber eben keine Miete. Als Studentin/Selbstständige hab ich keinerlei Zuschussansprüche, hab mir also finanziell gesehen den denkbar schwersten Weg ausgesucht.
Ziele die ich anstrebe:
Finanzielle Unabhängigkeit
Das Nageldesigngeschäft läuft endlich
Ich werde das Studium beenden und im Anschluss evtl in Richtung ''wie beeinflussten die Naturwissenschaften die Kunst'' forschen mit speziellem Augenmerk auf Naturkatastrophen, wie Unwetter, Vulkane, Erdbeben, Zunamis etc, diese Themen finde ich Urspannend.
Bezogen darauf würde ich auch gern kreativ entsprechende Phänomene wie Unwetter etc auf Leinwand bringen, am besten noch selbst erlebt haben weil dann erst das Gefühl einer Malerei richtig zum Ausdruck kommt. Gleiches gilt für Portraits, wo mir Menschen besser gelingen, die ich persönlich kenne und erlebt habe. Man muss einfach das Gefühl haben davor zu stehen, sei es vor einem Naturevent, oder eben einer Person.
Ich will Kinder, aber erst wenn ich soweit bin sie möglichst unbelastet von meinen Problemen in die Welt starten zu lassen.
Ich will die Welt sehen! Ich bin schon viel gereist, kann aber gar nicht genug kriegen von anderen Ländern, Sitten, Sprachen, optischen Reizen der Landschaftsvielfalten.
Ich will neue Dinge lernen, vllt ein Instrument, neue Sportarten, andere Sprachen
Eigentlich kann ich die Liste unendlich weiter führen, ich bin ein absoluter Träumer.
Dinge, die ich dafür schon getan habe:
Ich habe mich von einigen Dingen befreit, die mich belastet oder aufgehalten haben. Angefangen bei meinem Selbsthass und Selbstzweifeln. Klar zweifelt man immer mal wieder, aber dann nicht mehr so niederschmetternd als würde das Leben keinen Sinn mehr machen. Ich habe mich von fremden Interessen befreit, allen voran die meines Freundes, habe endlich meine eigenen wiedergefunden, was leider zur Folge hatte, dass wir uns nach insgesamt nun acht Jahren jetzt doch wieder getrennt haben. Er war mit meinem richtigen Ich, das nicht nur seine Interessen hat, leider nicht mehr so einverstanden. Wir haben uns aber im guten und einvernehmlich getrennt. Im Zuge dessen habe ich mich auch von dem Chaos in meiner Wohnung befreit. Alles raus was seins ist oder was unnötig oder kaputt war. Weg Damit! Ich habe mich auch von sogenannten ''Freunden'' befreit, die mich ohnehin nie respektiert haben.
Wo nun mein Problem liegt:
Ich denke vieles aus meiner Vergangenheit spielt in meine Prokrastination mit hinein. Ich habe sicher einiges meiner Probleme vorgeschoben um keine Verantwortung übernehmen zu müssen und habe es so einfach nicht gelernt. Vllt ist es eine Form von negativer Aufmerksamkeit, oder vllt auch von Sicherheit durch Dritte, die mich unterstützen. Ich habe aber auch einfach manchmal das Gefühl dass mir für meine Ziele die Kraft fehlt, und sind es nur die kleinen wie die Wohnung in Schuss zu halten oder meine Post zu öffnen. Ich habe mittlerweile ein gutes Bewusstsein für mich entwickelt und weiß was ich leisten kann, umso mehr ärgert es mich, dass mir dann psychisch nur allzu oft die Puste ausgeht und ich mich am liebsten nur noch im Bett verkriechen würde, oder andere unnütze Dinge meinen Pflichten vorziehe. Es scheint immernoch was zu geben das mich hemmt meine Ziele zu erreichen. Und die Abwärtsspirale dreht sich bereits immer weiter, finanziell, psychisch, physisch und auch sozial, verkrieche mich momentan wieder mehr. Es kostet jeden Tag immer mehr Kraft die alltäglichen Dinge zu bewältigen. Ich habe da leider noch nicht den richtigen Lösungsansatz gefunden. Ich bin aber motiviert weil ich weiß was ich schon so alles bewältigen konnte.



Als ich nach finanzieller Hilfe und der Angst vor Post gegoogelt habe bin ich auf die Prokrastination und euch gestoßen und ich bin so glücklich das endlich jemanden erzählen zu können. Ich versuche es möglichst geheim zu halten weil es mir peinlich ist vor meinen Eltern oder meinen Freunden. Ich weiß dass es blöd ist, aber bei der Angst damals hat es auch gedauert bis ich damit offen umgehen konnte

Mir hat reden oder nieder schreiben immer super geholfen, es wird auch sofort ein Tagebuch angelegt, um für mich mein Verhalten zu analysieren


Ich freu mich auf Austausch und natürlich auch wenn ich etwas Positives zu berichten habe

Wünsche euch einen schönen Tag ihr Lieben
